0012 - Der Dämonenknecht
ganze herrliche Reich. Dafür müßt ihr büßen.« Seine Stimme klang hohl und schepperte seltsam.
Wieder verwandelte sich das Gesicht des Schloßverwalters.
Auf seinen Schultern saß plötzlich ein höhnisch grinsender Totenschädel. Die ganze riesige Gestalt tauchte in der Nacht unter.
Das Grauen raubte Nicole Duval den Atem. Sie wollte schreien und brachte keinen Ton hervor. Sie wollte fliehen und war nicht imstande, ein Glied zu rühren. Dann sah Nicole plötzlich, daß sie nicht allein war. Um sie herum standen dunkle Schatten, und als sie mit vor Angst geschärften Augen hinschaute, erkannte sie, daß es halbnackte Männer und Frauen waren. Indios!
Fremdartige Laute umschwirrten sie. Nicole fühlte, wie sie am Handgelenk ergriffen und mitgerissen wurde.
Ein helles flackerndes Licht tauchte vor ihren Augen auf. Es stammte von einem riesigen Lagerfeuer.
Fetzen eines herzzerreißenden Wimmerns fegten über den Platz.
Todwund wand sich ein Mensch in langsamem, qualvollem Sterben.
Gleichgültig blickten die Indios auf den Sterbenden hinab, der aus klaffenden Wunden den Sand mit seinem Blut tränkte und immerfort wimmerte.
Mehrere an Händen und Füßen gefesselte Männer hockten dicht daneben am Feuer. Wie nasse Säcke hingen uralte Lumpen an ihren abgezehrten Körpern. Einer der Männer stach durch sein Aussehen von den anderen auffallend ab. Er hatte tiefschwarzes welliges Haar und war mit einem relativ sauberen Schlafanzug bekleidet.
Nicole sah, daß sich die Indios auf einen der Männer stürzten. Sie packten ihn, sie zerrten und rissen an ihm, gleich hungrigen Wölfen an einem Kadaver, daß Haut und Kleider in Fetzen gingen, und schleppten ihn im Triumphgeheul, mit Tritten und Schlägen zu einer Art Richtplatz.
Einige Schritte vom Feuer stand ein blutbeflecktes Instrument, ein sinnreich konstruierter Prügelbock. Gut einen Meter hoch, einen Meter lang und breit, bestand er aus einem in der Mitte vertieften Lattenrost, der auf vier schweren, durch Querleisten verstrebten Füßen ruhte.
Das Opfer, das nun zu diesem Folterinstrument geschleppt wurde, war ein kleiner schwächlicher Mann, dem die fahle Haut und die hervorstehende, leicht gekrümmte Nase geisterartige Züge verliehen.
Es ging alles sehr schnell. Die Indios warfen das Bündel Mensch auf den Bock und zogen mit satanischer Lust einige Stricke über seinem Rücken zusammen.
Pfeifende und klatschende Geräusche erfüllten die Luft.
Sechs stämmige Indios hieben mit riesigen Baumwurzeln auf den Unglücklichen ein. Das ständige Schlagen auf die gleichen Stellen brachte die Haut zum Platzen, und das Blut tropfte auf Bock und Sand.
Der Geschlagene schrie wie ein Tier, aber nach einer Weile wimmerte er nur noch und schwieg dann ganz.
»Nein«, flüsterte Nicole leise, tonlos. »Nein.«
Ihr Kopf sank nach vorn, und ihre Knie gaben nach, langsam fiel sie zusammen. Eine gnädige Ohnmacht hüllte ihren mitleidvollen Mantel um Nicole Duvals Bewußtsein.
***
Unerbittlich preßten sich die Hände um seinen Hals. Vor Professor Zamorras Augen schwamm alles. Noch einmal spannte er seine Kräfte an und bäumte sich auf.
In diesem Moment geschah etwas, was für Zamorra so überraschend kam, daß sein Hirn eine Weile brauchte, um es zu begreifen.
Der Kerl über ihm, der bis jetzt keinen Laut von sich gegeben hatte, stöhnte plötzlich auf. Seine Pranken lösten sich von Zamorras Hals und fielen schlaff herab. In den Augen des Würgers, die starr auf Zamorras Brust geheftet waren, flackerte Angst. Ein Beben ging durch seinen Körper.
Er richtete sich auf und wich langsam zurück, wobei er seinen entsetzten Blick nicht von Zamorras Brust löste.
Erleichtert füllte Zamorra seine Lungen mit kostbarem Sauerstoff.
Langsam richtete er seinen Oberkörper auf. Während er tief durchatmete, rieb er sich den schmerzenden Hals. Seine rechte Hand fuhr zur Brust hinab, und im gleichen Augenblick wurde ihm der rätselhafte Umschwung der Situation klar.
Aus seinem zerfetzten Hemd baumelte das Amulett Leonardo de Montagnes hervor.
Es bestand aus ziseliertem Silber. Ein Drudenfuß in der Mitte, um den herum kreisförmig die zwölf Tierkreiszeichen geordnet waren.
Den äußeren Ring des Amuletts bildete ein schmales Silberband mit geheimnisvollen Zeichen und Hieroglyphen.
Zamorra hatte sich das Amulett, das seine scharfe Waffe gegen die Kräfte der Finsternis war, beim Betreten Schloß Santillanas umgehängt. Zu seinem Glück, wie er jetzt feststellen
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