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0012 - Ich - und der Mörder ohne Waffen

0012 - Ich - und der Mörder ohne Waffen

Titel: 0012 - Ich - und der Mörder ohne Waffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delfried Kaufmann
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Streifenwagen befehlen, sie zu suchen, aber ich hatte das verdammte Gefühl im Magen, diese Suche würde nicht so glücklich ausgehen wie die von gestern. Wenn wir nur eine Ahnung hätten, welches ihr Ziel war!
    Augenblick mal.
    Die Streife hatte sie an der Crybond Bridge entdeckt. Wenn sie heute nacht denselben Weg einschlug, dann… Es war eine vage Vermutung, aber es war besser als nichts.
    Ich wandte mich an Soon.
    »Hören Sie, Lieutenant«, sagte ich hastig. »Mr. High und Phil werden gleich hier sein. Sie geben Ihnen eine Beschreibung der beiden Mädchen, die verschwunden sind. Alarmieren Sie die Streifenwagen. Mr. High wird Ihnen sagen, was zu tun ist. Ich fahre zur Crybond Bridge. Sagen Sie meinem Chef und Phil, sie möchten nachkommen, sobald das hier erledigt ist.«
    Ich rannte auf die Straße, sprang in den Wagen und brauste ab.
    Crybond Bridge liegt am Stadtrand von New York. Sie führt über den Hudson. Tagsüber braucht man mit dem Wagen fast eine Stunde, bis man hinkommt, aber das liegt hauptsächlich an dem starken Verkehr.
    Ich schaffte es mit dem Jaguar in nicht ganz fünfzehn Minuten, und doch kam mir diese Zeitspanne endlos vor.
    Die Straßen lagen leer in der geisterhaften Beleuchtung der Bogenlampen. Hin und wieder überholte ich ein Taxi oder einen frühen Lastwagen.
    Kurz vor der Brücke mußte ich ein Stadtviertel durchqueren, das als nicht ganz geheuer galt und dessen Straßen dunkler waren als die anderen. Dann kam die Brückenauffahrt, und ich zischte hoch.
    Fahrbahn und Gehwege der Brücke lagen hell in dem bläulichen Schein der Neonbeleuchtung, und da, im ersten Brückenteil, parkte ein Wagen unbeleuchtet am Straßenrand.
    Ich trat die Bremse durch. Der Jaguar wollte ausbrechen, aber ich hielt ihn eisern auf der Straße. Schlitternd, mit jaulenden Reifen, brachte ich ihn neben dem Wagen zum Stehen. Ein blauer Thunderbird! Ann Thompers Wagen.
    Ich sprang aus meiner Kiste, riß den Schlag des Thunderbird auf. Nichts, er war leer. Kam ich zu spät? Das Steuerrad schien mir noch warm zu sein, warm von den Händen eines Menschen.
    Ich richtete mich auf und begann die Brücke entlangzulaufen. Ich lief zehn Schritte und stoppte. War da etwas dort vor mir? Ich sah etwas Helles wehen, und ich ertappte mich selber dabei, daß mir die Erscheinung im Ypsilonbau einfiel. Es sah so ähnlich aus, aber es konnte auch ein Kleid sein.
    Ich rannte. Das helle Wehen blieb vor mir. Es war nicht auf der Fahrbahn und nicht auf dem Bürgersteig. Es geisterte auf dem Brückengeländer herum oder sogar jenseits davon.
    Jetzt erkannte ich es. Keine Erscheinung, kein Geist, sondern eine Frau im hellen Kleid, mit wehenden Haaren; eine Frau, die sich über das Geländer geschwungen hatte, sich noch mit den Händen an den Eisenstäben hielt, aber bereit schien, sich in die Tiefe zu stürzen.
    »Festhalten!« schrie ich. »Nicht bewegen!« Keine dreihundert Yard lagen zwischen uns, und ich lief aus Leibeskräften, und doch hatte ich das Gefühl, als hätte ich Blei in den Beinen und käme nicht von der Stelle.
    Dann, wie weggewischt, war die Gestalt verschwunden, keine zehn Sekunden, bevor ich die Stelle erreicht hatte. Ich stürzte vor, krampfte die Händen um die eiskalte Brüstung, beugte den Oberkörper vor und versuchte, das Dunkel zu durchdringen, das nachtschwarz unter der Brücke lag.
    Und jetzt hörte ich den schrillen, markerschütternden Schrei der Stürzenden, und er endete mit dem charakteristischen Geräusch eines Körpers, der auf dem Wasser aufschlägt.
    Ich riß mir die Jacke herunter, schwang mich auf das Geländer. Ich glaube, ich bin nicht gerade ein Hasenfuß, aber ich gestehe es, ich zögerte zwei Sekunden lang. Es war ein scheußliches Gefühl, in die Schwärze unter mir zu springen, und ich hatte keine Ahnung, wie hoch die Crybond Bridge war und wie tief der Hudson an dieser Stelle. Und es war fast sinnlos, jemanden nachzuspringen, der sich in dieses scheinbar bodenlose Schwarze hatte fallen lassen.
    Ich stieß mich kräftig ab und hechtete weit nach vorn. Ich wußte, daß unter den großen Brücken häufig solche Windverhältnisse herrschen, daß ein Springer gegen die Verstrebung geworfen wird und sich die Knochen bricht. Ich spürte, wie mich dieser Windzug packte, als ich durchfiel, aber ich war weit gesprungen.
    Wenn Sie erfahren wollen, wie lange eine Ewigkeit ist, dann müssen Sie einen solchen Sprung tun. Er dauerte vielleicht fünf, vielleicht acht Sekunden, aber diese Zeit bedeutet

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