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0012 - Ich - und der Mörder ohne Waffen

0012 - Ich - und der Mörder ohne Waffen

Titel: 0012 - Ich - und der Mörder ohne Waffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delfried Kaufmann
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waren wir aus dem Stadtkern von New York heraus und näherten uns dem östlichen Viertel. Die Passagiere wurden spärlicher. Ich begann mich zu fragen, ob ich vielleicht doch das Aussteigen des Mädchens verpaßt hatte, aber dann, die vorletzte Station vor der Endhaltestelle stieg sie aus.
    Wir waren in der Gegend der Coalbound Avenue, einer Gegend, in der Ann zu Lebzeiten ihrer wohlhabenden Eltern sicherlich nie gewesen war. Das Viertel ist nicht gerade verrufen, aber es wohnen doch die Leute dort, die es noch nicht zu Geld gebracht haben, meistens frisch Eingewanderte, deren Englisch zu wünschen übrigläßt, besonders viele Puertorikaner.
    Die Verfolgung wurden in den menschenleeren Straßen leichter, aber auch schwerer zugleich, denn ich fand nicht mehr viel Deckung, während ich andererseits Ann besser im Auge behalten konnte.
    Sie verließ die Coalbound Avenue an der einhundertsechzehnten Straße und nahm dann die einhundertzwölfte Querstraße. Ich mußte ihr einen ziemlichen Vorsprung lassen. Ich lief zwar, sobald sie um die Ecke war, aber als ich dann die Kreuzung der beiden Straßen erreichte, war sie verschwunden.
    Drei Häuser weiter stand ein feister Puertorikaner vor seiner Obstkarre.
    »Hallo«, sagte ich, »haben Sie eben eine junge Dame mit einer Sonnenbrille und blonden Haaren Vorbeigehen sehen?«
    Er lächelte ölig.
    »Hübsche Lady«, lispelte er. »So blond! Wunderbares Blond!«
    »Wohin ist sie gegangen?« fauchte ich ihn an.
    »Das Haus dort, Mister«, sagte er.
    Ich lief.
    »Viel Glück!« rief er mir nach.
    Es war ein großes Mietshaus, dessen Eingang in einer dunklen Tordurchfahrt lag. Die Tür war unverschlossen. Eine Wolke von unangenehmem Geruch schlug mir aus dem Treppenhaus entgegen. Ich lief die quietschenden Stufen hoch. Oben auf dem Absatz standen zwei schmuddelige Weiber und quatschten miteinander. Ich fragte nach Ann.
    »Ach, das schöne Fräulein, das bei Mrs. Beggenfield wohnte«, sagte eine von den beiden. »Ja, sie kam vor wenigen Augenblicken vorbei. Dritter Stock.«
    Ich lief weiter. Die Frauen tuschelten miteinander.
    Im dritten Stock gab es zwei Türen, einfache Holztüren. In der halben Dunkelheit las ich die Namen auf den Türschildern.
    »Beggenfield« stand auf einem der schmutzigen Messingschilder.
    Ich überlegte. Ich konnte es nicht riskieren, einfach draußen zu warten. Ich kannte die Lage und Verhältnisse in diesem Haus nicht. Es gab vielleicht Möglichkeiten mit der Feuerleiter oder ähnliches. Andererseits wünschte ich nicht, daß Ann mich sah, aber wenn ich läutete, öffnete vielleicht sie die Tür.
    Ich drückte probeweise die Klinke hinunter. Hallo, die Tür war nicht verschlossen. Ich öffnete sie und stand in einem Korridor, von dem fünf Türen abgingen.
    Bevor ich mich entschließen konnte, was ich tun sollte, wurde eine dieser Türen geöffnet, und ich sah mich einer kleinen, verhutzelten Frau gegenüber, deren Schürze alles anderes als sauber war.
    Ich legte hastig den Finger auf den Mund, packte die Alte am Arm und zerrte sie durch die Tür, die sie geöffnet hatte, in die dahinter liegende Küche. Sie gab keinen Laut von sich, wahrscheinlich vor Schreck.
    »Polizei«, flüsterte ich. »FBI. Verstehen Sie?«
    Sie bekam es fertig, mit offenem Mund zu nicken. Ich schloß sehr leise die Zimmertür.
    »Bei Ihnen wohnt eine junge Dame, nicht wahr?«
    »Ja«, stammelte sie. »Ja, sie wohnt hier.«
    »Ist sie allein auf ihrem Zimmer?«
    »Ja sie ist allein. Sie war immer allein.«
    »Wie heißt sie?«
    »Miss Miller, soviel ich weiß. Ja, Miss Miller. Wenigstens ist das Zimmer auf diesen Namen gemietet worden. Sie spricht ja nie ein Wort.«
    Die Alte war offenbar zu der Überzeugung gelangt, daß ich wirklich ein Polizist sei, und sie fand ihre Nerven wieder.
    »Ich habe mir ja gleich gedacht, daß etwas faul sei«, sprudelte sie los. »Es war alles so seltsam. Schon…«
    Ich stoppte sie.
    »Hören Sie, Mrs. Beggenfield. Ich muß hier bei Ihnen bleiben, damit ich die Dame überwachen kann, aber Sie dürfen sich nicht anmerken lassen, daß ich hier bin. Gibt es noch einen anderen Ausgang aus dem Zimmer, das Miss Miller bewohnt?«
    »Nein.«
    »Auch keine Feuerleiter oder so etwas?«
    Kopfschütteln.
    »Ist dieser Raum hier günstig, um das Fräulein zu beobachten?«
    Sie wurde ganz eifrig. »Besser noch, Mr. Polizist, Sie gehen in mein Wohnzimmer. Das liegt gleich nebenan. Wenn sie sorgfältig an der Wand lauschen, können Sie sogar hören, was sie

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