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0012 - Ich - und der Mörder ohne Waffen

0012 - Ich - und der Mörder ohne Waffen

Titel: 0012 - Ich - und der Mörder ohne Waffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delfried Kaufmann
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tut.«
    »Okay, bringen Sie mich hin. Und kein Wort zu irgend jemand! Sehen Sie erst nach, ob der Weg über den Korridor frei ist.«
    Sie öffnete vorsichtig die Küchentür und steckte den Kopf durch den Spalt, zog ihn zurück und nickte mir zu. »Ja, er ist frei. Sie ist nicht da.«
    In diesem Augenblick hörte ich ein schwaches Schrillen.
    »Was ist das?« fragte ich.
    »Das Telefon«, gab Mrs. Beggenfield flüsternd zurück.
    »Sie haben ein Telefon? Wo steht es?«
    »Im Zimmer von Miss Miller. Sie wird öfter angerufen.«
    Das Telefon schrillte noch einmal, brach dann aber ab. Ann mußte abgenommen haben.
    Mrs. Beggenfield schlich bereits über den Korridor und winkte mir eifrig, ihr zu folgen. Ich tat es auch, aber meine Gedanken waren woanders.
    Telefon? Wo in dieser Geschichte spielte, zum Teufel, ein Telefon eine Rolle? Hatte Stanford nicht ausgesagt, daß das Telefon geläutet hätte, kurz bevor Ann in der Selbstmordnacht das Haus verließ? Wer rief sie hier an? Niemand hatte mit den beiden Mädchen Kontakt gehabt, aber er hatte ungestört mit ihnen telefonieren können, denn der Apparat war die meiste Zeit auf Charlots Schlafzimmer geschaltet. Wurden die Befehle telefonisch erteilt?
    Ich handelte mehr aus Instinkt als aus Überlegung. Ich legte die Hand auf die Klinke zu Anns Zimmer. Noch einmal zögerte ich einen Sekundenbruchteil, dann drückte ich die Tür auf. Ich wartete auf einen Schrei, einen Ruf. Nichts geschah. Jetzt konnte ich das ganze Zimmer sehen, ein schäbig und altmodisch eingerichteter Raum mit verstaubten Plüschsesseln und häßlichem Eisenbett.
    Auf diesem Bett saß Ann Thomper. Sie hatte die Sonnenbrille abgelegt. Das Telefon stand auf dem Nachttisch. Ann hielt den Hörer mit der Linken am Ohr. Ihre Augen waren fest geschlossen.
    Ich stand an der Tür, und ich dachte, sie würde die Augen öffnen und mich ansehen. Ich begriff immer noch nicht, was eigentlich los war. Aber sie öffnet die Augen nicht, sondern sie sagte mit einer fremden, kehligen Stimme: »Ja, ich verstehe.«
    Ich hörte die Stimme des Anrufers. Sie wissen ja, wie das ist, wenn man ein gutes Stück von einem Telefonhörer entfernt steht und trotzdem hören kann, daß der Anrufer spricht. Es klingt wie ein Insektenzirpen, und wenn es nicht eine ungewöhnlich helle Stimme ist, kann man nicht einmal sagen, ob sie einer Frau oder einem Mann gehört. Etwas zu verstehen ist ohnedies ausgeschlossen.
    »Ja«, sagte Ann noch einmal. »Ich werde es tun.«
    Ich ging auf sie zu, um ihr den Hörer aus der Hand zu nehmen, aber in diesem Augenblick legte sie selbst langsam mit einer traumhaften Geste auf. Sie streckte den Arm aus, und jetzt sah ich, daß es an ihrem Handgelenk golden glitzerte. Ann Thomper trug die goldene Spirale.
    Ich blieb wie angewurzelt stehen. Ganz langsam hoben sich die Augenlider des Mädchens. Ann sah mich an. Es waren ihre Augen, aber es war nicht, wenn man das so ausdrücken kann, ihr Blick. Sie sah durch mich hindurch, ja, sie gab nicht einmal das geringste Zeichen dafür, daß sie mich sah.
    Sie erhob sich von dem Bett. Auch das geschah mit genau den gleichen traumhaften Bewegungen wie das Auflegen des Telefonhörers. Sie ging unsicher und langsam die wenigen Schritte zum Tisch und griff nach ihrer Handtasche. Sie löste dabei ihren Blick von mir, als wäre ich irgendein gleichgültiger Gegenstand im Zimmer.
    Ich hörte, wie der Verschluß ihrer Tasche aufklickte. Ich sah, wie sich ihre Hand in das Innere versenkte und mit einer verkorkten Glasröhre wieder erschien. Sie nahm die Röhre von der Rechten in die Linke, und sie löste den Korken heraus. Ihre Hand zitterte, aber sie hob sich langsam, hob das Röhrchen ihrem Mund entgegen. Die Goldspirale funkelte.
    Mit drei großen Schritten war ich bei ihr. Ich schlug einfach zu, und ich schlug ihr die Röhre aus der Hand, daß sie in weitem Bogen in das Zimmer flog und auf dem Boden zerschellte. Ein durchdringender Geruch nach Mandeln verbreitete sich.
    Ann starrte mich wie aus weiter Ferne an, minutenlang, wie es mir schien. Dann schloß sie die Augen, ihre starre Haltung lockerte sich, und sie sank in sich zusammen. Ich konnte sie eben noch auffangen, bevor sie zu Boden fiel.
    Im Türrahmen sah ich das neugierige Gesicht der Mrs. Beggenfield.
    ***
    Ich trug Ann zu dem Bett und legte sie nieder. In Mrs. Beggenfield waren anscheinend neue Zweifel aufgestiegen, daß ich Polizist war, denn sie wollte sich vorsichtig zurückziehen, um Alarm zu

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