0014 - Der schwarze Henker
braucht. Glauben Sie mir, ich habe meine Erfahrungen. Warum paktieren Sie mit dieser Bestie? Hat er nicht einen Ihrer Vorfahren umgebracht? Sie müßten sein Todfeind sein, statt dessen paktieren Sie mit ihm und begehen sogar noch einen Mord.«
»Ich?«
»Ja, Sie. Der Pfarrer ist durch Ihre Mörderhand ums Leben gekommen. Die Tat kann niemand mehr rückgängig machen, die müssen Sie mit Ihrem Gewissen in Einklang bringen. Aber Sie können Ihren guten Willen zeigen, wenn sie mir helfen, den Henker zu langen. Was stand in den Kirchenbüchern, die Sie gestohlen haben? Reden Sie, Mann. Welches Geheimnis bargen die Bücher?«
Riley schwieg.
»Soll ich sie mir erst holen? Ich weiß, daß sie hier im Haus versteckt sind. Man hat Sie gesehen, als Sie das Pfarrhaus verließen«, bluffte ich. »Es gibt keine Chance mehr!«
James Riley quälte sich auf die Füße. Ich ließ ihn gewähren. Er starrte mich an, hob die Schultern und schlurfte dann zu einem hohen, fast bis an die Decke reichenden Schrank.
Ich blieb ihm auf den Fersen, rechnete jeden Augenblick mit einem Trick.
Kurz bevor er den Schrank erreichte, drehte er sich um. »Okay, Mister, Sie haben mich überzeugt. Ja, ich habe den Pfarrer umgebracht, und ich habe auch die Bücher.«
»Sind Sie in dem Schrank?« fragte ich.
»Ja.«
»Dann schließen Sie vorsichtig auf.«
James Riley drehte den Schlüssel herum. Er wandte mir wieder den Rücken zu, und deshalb entging mir das Lächeln, das seine Mundwinkel kerbte.
Langsam zog er die Tür auf. Ich trat näher an ihn heran, konnte trotzdem nicht erkennen, was sich alles in dem Schrank befand.
Rileys Hände verschwanden im Innern. Ich hörte Papier knistern und dann sagte der Mann: »Hier sind die Sachen. Ich gebe…«
Riley wirbelte herum.
Im gleichen Atemzug flogen mir die Bücher entgegen. Instinktiv sprang ich zur Seite, trotzdem wurde ich von den schweren Gegenständen am Arm getroffen.
Doch Riley war noch nicht fertig. Einen Lidschlag später hielt er eine schwere Schrotflinte in der Hand, schwenkte die beiden Läufe herum und drückte ab…
***
Irgendwann gewöhnt sich der Mensch an jede Situation. Und sei sie auch noch so schlimm.
Glenda Perkins erging es nicht anders. Angst und Panik verflogen mit der Zeit und machten einer einschläfernden Apathie Platz.
Der Henker tat ihr nichts, Er hielt sich im Hintergrund des Verlieses auf, hockte dort am Boden. Nur manchmal, da stieß er grollende, fürchterlich anzuhörende Laute aus.
Glenda schreckte jedesmal hoch.
Sie hatte auch wieder beten gelernt.
Die Hände hielt sie gefaltet, ihre Lippen zuckten. Hin und wieder lauschte sie. Sie wußte, daß sich über der Falltür dieser Kerl befand, der sie auch in das Verließ geschleppt hatte. Von ihm hörte sie nichts. Nicht einmal Schritte.
Doch dann vernahm sie die Stimme des Mannes. Er schrie irgend etwas, was Glenda nicht verstand.
Sofort schreckte sie hoch. Auch der Henker stand dort.
Und dann hörte sie den Schuß.
Danach herrschte Stille.
Dann wieder die Stimme des Kerls.
Was war geschehen? Glenda spürte, wie die Angst zurückkehrte. Die Angst und das Grauen. Sollte John Sinclair etwa gekommen sein? Hatte er das Versteck gefunden? Aber der Schuß. Vielleicht war John getroffen worden. Vielleicht…
Ihre Gedanken wurden unterbrochen. Wieder peitschte ein Schuß auf, Glenda glaubte auch, das Splittern einer Scheibe gehört zu haben, doch sie war sich nicht sicher.
Sekundenlang geschah nichts. Nur der Henker stieß einen fauchenden Laut aus, der Glenda eine Gänsehaut über den Rücken laufen ließ.
Auf einmal hörte sie Stimmen. Zwei Männer unterhielten sich. Und sie konnte die Stimmen identifizieren.
Eine gehörte ihrem Entführer. Und die andere…
Ihr Herz überschlug fast einen Sprung. Himmel, das war John Sinclair, der dort sprach. Er hatte es tatsächlich geschafft, war gekommen, um sie zu retten.
Sie begann, vor Freude zu zittern.
Jäh wurden ihre Hoffnungen zerstört. Wieder donnerte ein Schuß auf. Diesmal jedoch lauter, explosionsartiger. Sie vernahm einen erstickten Ruf, ahnte, daß dort soeben etwas Grausames geschehen war und schrie gellend auf…
***
Der Schrotschießer brüllte. Fußlang stach die Flamme aus dem linken Lauf. Ich weiß heute noch nicht, wie ich es geschafft habe, mich zur Seite zu werfen. Auf jeden Fall verfehlte mich, der Hauptteil der Ladung. Die Schrotkörner streuten durch den Raum und zerstörten eine Fensterscheibe. Ein paar davon rissen den Stoff
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