0015 - Der Morddämon
der Menschen einpflanze, aber auch deren Intelligenz, deren Mut, deren Tücke und deren zwiespältige Seele. Diese vierzehn Männer werden mein engster Stab sein bei der Wiedergeburt des alten Cathay.«
Ming-Li machte eine alles umfassende Handbewegung.
»Wir haben sie alle überlebt – wir, das älteste Kulturvolk der Welt. Die alten Babylonier und Ägypter, die alten Perser, Griechen und Römer. Das, was die Menschen Zerstörung ihrer Häuser und Güter nennen, bezeichne ich nur als Reinigung von den technischen Errungenschaften dieser seelenlosen Zeit, und was die Menschen mit Mord bezeichnen, ist für mich nur eine Säuberung des künftigen Cathay von Elementen einer sterbenden Gattung von Lebewesen.«
Ming-Li hielt inne.
»Die Stunde ist nah, in der ich euch ausschicke, um zunächst Hongkong zu vernichten. Fremde haben sich hier breitgemacht, weiße Barbaren, die nur an Geld glauben. Politik nennen sie ihren Glauben, doch alle Politik ist darauf ausgerichtet, Gewinn zu machen und Feinde zu vernichten.«
Ming-Li sah zu den Fackelträgern hinüber.
»Ich werde euch auch Menschenherzen geben – allen. Und haben wir mehr Herzen als Changs, gehe ich zu den alten Kampfstätten des dreizehnten Jahrhunderts zurück, die nördlich von Kanton liegen, und erwecke mir neue Helfer.«
McTrash fürchtete, daß die Changs sein Herzklopfen hören könnten. Die stupiden Puppengesichter ängstigten ihn mehr, als wenn sie zornige Mienen gemacht hätten.
»Heute seid ihr noch eine Geisterarmee ohne eigenen Willen und ganz von meinen Entschlüssen abhängig. Bald aber werdet ihr frei entscheiden können. Und dabei werdet ihr niemals vergessen, daß ihr meine Geschöpfe seid und ohne mich noch in der blutgetränkten Erde nördlich Kantons ruhen würdet.« Er hob die Arme.
»Stephen McTrash, tritt näher!« befahl er.
Das Herz des Schotten blieb jäh stehen – nur den Bruchteil einer Sekunde lang. Dann hämmerte es wie ein Stakkato in McTrashs Brust weiter.
»Ja, Ming-Li?« Seine Stimme klang heiser. Ihm war übel, er fühlte sich fiebrig.
»Du hast uns versucht zu erklären, wie die Roboter zu programmieren sind«, fuhr Ming-Li mit tückisch funkelnden Augen fort.
»Versuche es noch einmal. Sage Kuangchow, wie man einen Roboter dazu bringt, sich zu bewegen und das zu tun, was man selbst will.«
Es ist mein Ende, wenn ich das Geheimnis preisgebe! dachte McTrash.
Doch ich darf mich nicht wehren.
»Ich will es versuchen«, sprach McTrash mühsam. Dann begann er zunächst stockend, dann immer flüssiger und schneller, eine komplizierte mathematische Formel herunterzuleiern und hoffte, daß ihm kein Nichtmechaniker dabei folgen konnte.
Ming-Li nickte und wandte sich an Kuangchow, den ehemaligen Chang, in dessen Brust jetzt ein Menschenherz schlug.
»Hast du alles verstanden, Kuangchow?«
Der Chinese nickte. »Ja, Ming-Li, großer Erlauchter.« Und dann sagte er mit hoher Fistelstimme eben dieselbe Formel auf, ohne eine Zahl auszulassen.
Das war gespenstisch.
McTrash wich in panischem Schreck zurück.
Wie war so etwas möglich? Auch das mußte zum Zauber von Ming-Li gehören.
Ehe er begriff, was vorging, sah er Ming-Li vor sich. Ming-Li hatte die Hände auf seine Schultern gelegt und murmelte monotone Beschwörungsformeln.
Stephen McTrash wollte zurückweichen, doch plötzlich wurde er festgehalten von den Augen des Erlauchten. Ein Lichtschimmer, der jäh stärker wurde, erschien darin, packte McTrash, ließ ihn nicht mehr los, machte ihn willenlos und schwach.
McTrash war unfähig, sich zu rühren. Mit weit aufgerissenen Augen stand er da und spürte die selbe Schwerelosigkeit, wie damals im Büro, als ihn die Changs entführten. War das wirklich erst gestern gewesen?
Sekundenlang wandte er den Blick von Ming-Li ab. Kuangchow sah ihn finster an, und sein Blick war von so unmenschlichem Haß, daß McTrash schnell die Augen von ihm wandte. Die Gesichter der Changs waren wie immer höflich, aber grausam lächelnd, starr, puppenhaft.
»Schau mich an, McTrash…«
Der Schotte gehorchte.
Jetzt bemerkte er mit Schaudern, daß Ming-Li die Hände gehoben hatte und einen funkelnden Dolch hielt. Die Spitze zeigte genau auf McTrashs Augen.
»Ich will nicht sterben«, flüsterte McTrash.
»Du wirst nicht sterben«, sprach Ming-Li. »Sieh mich an. Du bist allein mein Geschöpf, sobald ich die Zeremonie an dir beendet habe. Du spürst keinen Schmerz, McTrash, aber du wirst deine Persönlichkeit verlieren. Mein Vasall
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