0015 - Der Morddämon
diesem Gebiet.«
Der ist ja richtig gesprächig , dachte Bill Fleming. Das bedeutet, daß er nicht frei von Eitelkeit ist, und Eitelkeit ist die empfindlichste menschliche Schwäche.
»Ich weiß nicht, wie alt ich bin. Aber ich habe lange genug zugesehen, wie China immer mehr aus seiner Machtstellung verdrängt wird. Ich werde China erobern. Ich habe ein Heer von Leuten zur Verfügung. Sie…«
»Woher wollen Sie denn die nehmen?« erkundigte sich Bill.
»Ich hole sie von den Schlachtfeldern. Ich sammle dort Knochen und zelebriere eine Messe. Sie werden lebendig dadurch. Die Männer, die Sie hergebracht haben, gehören dazu. Es sind Changs. Es gibt keine treueren Leute als sie. Ich bin dadurch unbezwingbar geworden.«
Bill Fleming dachte an Zamorras Worte. Er verstand nicht, wie das alles praktisch vor sich ging, aber Zamorra, sein Freund, hatte ihm ja schon einigemal bewiesen, daß sich die Parapsychologie auf akute Erkenntnis stützte.
»Was haben Sie mit mir vor, Ming-Li?« fragte Bill mit fester Stimme. »Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß ich US-Bürger bin.«
Ming-Li wischte seine Worte weg. »Was geht mich Ihre Staatsbürgerschaft an? Ich bin exterritorial. Ich werde die Welt mir untertan machen. Alle Länder der Erde werden Cathay untertan sein. Die Dä- monen sind meine Helfer. Meine Changs sind Dämonen. Sie sind unverwundbar. Sie sind unsterblich.«
Er wollte weitersprechen, doch dann hob er die Hände und lauschte in sich hinein.
Er winkte ein paar Changs zu sich und befahl ihnen etwas in schneller, hoher Sprache.
Die Changs eilten aus der Katakombe.
»Sie zweifeln«, fuhr Ming-Li fort und hielt Bill Fleming mit seinen Augen fest. »Ich sammle Menschenherzen. Ich pflanze meinen Changs Menschenherzen ein, dann sind sie Menschen wie Sie.«
»Und wie Sie?«
»Ich bin ein Mensch und ein Dämon. Ein Zwitter. Doch diese Doppelfunktion gibt mir ungeahnte Kräfte, die alle Gesetze der Logik sprengt.«
Bill Fleming antwortete nicht.
»Ich habe soeben durch mein Gehirn die Meldung bekommen, daß einer meiner Untertanen sich gegen meinen Befehl vergangen hat. Er ist der erste Chang, dem ich ein Menschenherz eingepflanzt habe. Und da Sie noch immer nicht glauben wollen, daß ich unbezwingbar bin in meiner Macht, werde ich Ihnen beweisen, wie es ist, wenn mein Zorn jemand trifft. Da bringen sie ihn schon…«
Langsam drehte sich Bill Fleming um.
Die Changs schleppten einen Chinesen herein. Er trug einen blutroten Kittel wie Ming-Li.
»Kuangchow!« sprach Ming-Li eisig. »Du hast mein Vertrauen getäuscht. Du solltest die Frau töten.«
Der Chinese heulte auf.
»Ming-Li, großer Erlauchter! Meine Begierde wuchs in mir hoch wie ein Baum. Ich bin ein Mensch. Du hast mich zum Menschen gemacht. Und als ich die Frau sah…«
»Du kanntest genau deinen Befehl.«
Bill Fleming glaubte zu träumen.
Wenn er jemals lebend aus dieser Katakombe herauskam und diese Story den Leuten daheim in den Staaten erzählte, würden die ihn für geistesgestört halten. Ein Dämon unterhielt sich mit einem anderen Dämon über Sex… Von neuem gab Ming-Li einigen Changs seine Befehle. Bill Fleming blickte zu Kuangchow hinüber. Würden sie ihn jetzt töten? Er zweifelte nicht daran. Und wenn er wirklich ein Mensch war wie er selbst, dann würde das Mord sein.
Doch dann schleppten sie Nicole heran.
Bill fuhr zusammen, als er Nicole erkannte. Die dünne Jacke ihres Tropenanzugs war zerfetzt. Er bemerkte Blutspuren auf ihrer Brust und am Hals. Das halblange blonde Haar hing ihr wirr in die Stirn.
Aber selbst jetzt noch war Nicole schön und verführerisch.
Bill wollte auf die Freundin zugehen, doch einige Changs hinderten ihn daran, indem sie ihm leicht ihre Krallen in den Arm bohrten.
Da blieb Bill stehen.
Was haben sie bloß mit Nicole gemacht? dachte Bill entsetzt.
»Kuangchow! Ist das die Frau, wegen der du meinen Befehl nicht befolgt hast?« fragte Ming-Li mit erhobener düsterer Stimme.
Kuangchow neigte den Kopf. »Ja, Ming-Li, großer Erlauchter. Sie heißt Nikoll. Ich wollte sie am Leben lassen und eine Familie mit ihr gründen. Cathay braucht ein Volk, Ming-Li.«
»Und du wolltest den Anfang machen?« höhnte Ming-Li. »Cathay wird ein Volk von Changs mit Menschenherzen werden. Ein Volk ohne Frauen. Frauen haben in dem alten China nie etwas gegolten. Frauen sind überflüssig. Nur lästige Beigabe. Auch mit Kindern weiß ich nichts anzufangen. Es dauert viel zu lange, zu warten, bis sie erwachsen sind
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