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0015 - Ich starb um elf Uhr zwanzig

0015 - Ich starb um elf Uhr zwanzig

Titel: 0015 - Ich starb um elf Uhr zwanzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Werner Höber
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rollte ich mich beiseite, zu meinem Jaguar hin. Die Reifen des Mercury dröhnten hart an mir vorbei. Ich kroch förmlich in das Pflaster.
    Die Maschinenpistole ratterte wieder. Irgend etwas schlug gegen meinen Hinterkopf, dann war es aus. Ich sah nichts mehr, hörte nichts mehr, fühlte nichts mehr außer einer bleiernen Schwere.
    ***
    Haben Sie schon einmal in einer trüben Pfütze Ihr Spiegelbild gesehen? Gesehen, wenn Sie gleichzeitig mit dem Finger, oder mit der Hand, die Wasseroberfläche durchstießen? Wissen Sie, wenn die kleinen, ringförmigen Wellen von Ihrem Finger her durch die Pfütze gehen und Ihr Gesicht verzerren, das sich im Wasser spiegelt, genauso sah ich plötzlich Mister Highs Gesicht. Verzerrt, verschwommen, nah und weit gleichzeitig.
    Ich schloß die Augen wieder. In meinem Kopf mußte jemand eine Mühle eingerichtet haben, ich fühlte ganz deutlich das vibrierende Brummen des Mühlrades.
    Was hatten sie denn mit meinem Bein gemacht? Ich .'hatte das Gefühl, als hätten sie mir glühende Nadeln durch die Schenkel gezogen. Und auf meinem linken Unterarm lag auch irgend etwas Glühendes.
    Jemand sagte etwas, aber ich konnte es nicht verstehen. Es hörte sich an, als sei es meilenweit entfernt, dabei war es aber gleichzeitig auch ganz nah, nur daß ich den Sinn einfach nicht mitbekam.
    Langsam öffnete ich die Augen. Mister Highs Gesicht stand noch immer vor mir. Ich runzelte die Stirn. Das tat mir im Kopf weh. Allmählich verlor das Bild von Mister Highs Gesicht seine Verschwommenheit.
    Endlich sah ich wieder wie ein normaler Mensch.
    Ich lag im Zimmer von Mister High. Der Chef saß dicht neben mir. Er lächelte. Ein ganz klein wenig nur, aber er lächelte. Allerdings waren seine Augen so seltsam klein und schimmerten feucht.
    »Glück gehabt, was, Jerry?« sagte er mit einer Stimme, die heiser klang.
    »Ja«, krächzte ich. »Dabei hatten sie mich wie auf einem Tablett. Diese Schufte!«
    Ich biß mir auf die Lippe. Ich hätte nicht den Versuch machen sollen, mich zu erheben. Mein Kopf hatte mir das verdammt übelgenommen. Von Mühlrad konnte gar keine Rede mehr sein. Jetzt waren es die Niagara-Fälle, die sich in meinem Kopf eine zweite Heimat gesucht hatten.
    »Bewegen Sie sich nicht, Jerry!« hörte ich Mister Highs besorgte Stimme. »Bleiben Sie ganz ruhig liegen! Der Doktor ist gleich wieder da! Er muß nur schnell irgendein Medikament besorgen für Sie. Ganz unter uns gesagt, Jerry, wir haben Sie schon für tot gehalten. Als die Kollegen Sie auf der Straße herausgehauen und zu mir getragen haben, sahen Sie aus wie tot.«
    Ich grinste. Oder ich bildete mir ein, zu grinsen, viel konnte ich mit meinem Gesicht nicht anfangen, weil die kleinste Bewegung sich bis ins Gehirn fortpflanzte und dort einen ungeheuren Schmerz hervorrief.
    »Tot?« wiederholte ich langsam. »Ich und' tot? Das ist direkt zum Lachen. Einem Toten kann nichts weh tun, und mir tut so vieles so unglaublich weh, daß ich gar nicht lebendiger sein kann.«
    »Jetzt nicht mehr sprechen, Jerry. Wir freuen uns alle, daß wir Sie wiederhaben, nun müssen Sie auch schnell wieder gesund werden.«
    Tot… hm. In meinem Kopf ging alles noch ein bißchen durcheinander. Ich sah vor meinem geistigen Auge, wie mich ein paar Kollegen auf der Straße aufhoben und ins Haus trugen. Ich stellte mir vor, wie die Schlagzeilen der Abendblätter aussehen würden, wenn sie meinen Tod zu melden hätten. Und wie sich die Gangster grinsend die Hände reiben würden, wenn ich… Halt! Hände reiben, wenn ich…
    »Mister High!« Ich fing an zu schwitzen. Ich suchte seine Hände und drückte sie. »Mister High! Ich bin tot! Mausetot! Das ist die beste Lösung! Ich, der G-man Jerry Cotton, bin tot! Verstehen Sie: ich bin so tot, wie ein Mensch nur sein kann!«
    Er sah mich an. Ich werde ihm diesen Blick nie vergessen. Es war soviel Freundschaft, soviel ehrliche, harte, gerade Männerfreundschaft in diesen Augen, die ganz feucht waren. Und ich kapierte auf einmal, was für einen Chef wir hatten. Er hing an uns wie ein Vater.
    Ich dämpfte meine Stimme und sprach langsam, weil mir das nicht so viel Mühe machte und die Schmerzen dabei zu ertragen waren.
    »Mister High«, sagte ich. »Glauben Sie um Himmels willen nicht, daß ich verrückt geworden wäre! Es ist mein voller Ernst: Ich muß tot sein! Verstehen Sie, ich muß vor der ganzen Welt tot sein, dann kann ich den Halunken auf die Spur kommen! Wenn alle Zeitungen berichten, daß ich tot bin, dann haben

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