0015 - Ich starb um elf Uhr zwanzig
wollte ich Ihnen gerade sagen. Machen wir‘s also kurz. Sie erinnern sich an einen gewissen Mister Meiling?«
»Klar. War einer unserer besten Leute. Verdammt schade, daß er bei dem Unfall draufging.«
»Hatte Mister Meiling eine Position bei Ihnen inne, in der er selber manchmal Sprengstoffe besorgen mußte für seine Arbeit?«
»Sicher. Er war ja der Sprengmeister. Er bestellte alles, was er in seinem Steinbruch brauchte, bei der Firma Landley in der 26. Straße. Unsere Firma kauft dort schon seit Jahren. Warum? Stimmt etwas mit den Sprengstoffen nicht?«
»Nein, es ist alles in Ordnung. Wir sind von einer Versicherung beauftragt worden, etwas in die Sache hineinzuleuchten, in diese Unfallgeschichte, meine ich. Aber es scheint alles in Ordnung zu sein. Vielen Dank. Ich will Ihre knappe Zeit nicht länger in Anspruch nehmen. Danke.«
Ich ging zur Tür. Auf der Schwelle drehte ich mich noch einmal um und fragte lächelnd:
»Übrigens, wie lange war eigentlich sein Sohn bei Ihnen beschäftigt?«
»Dieser Harry? Ach, nicht lange. So an die sechs Wochen, denke ich. Dann kündigte er zum Glück selber. Wir hätten ihm im anderen Falle keine zwei Wochen länger behalten. Er war ausgesprochen faul und unzuverlässig.«
»Vielen Dank. Auf Wiedersehen.«
Ich ließ einen verdutzten Manager zurück. Aber das störte mich weniger. Meine blitzschnell gekommene Vermutung hatte sich bestätigt. Harry Meiling, sieh an!
Zwei Minuten später saß ich wieder in einem Taxi. Nach einer halben Stunde stand ich in Landleys Sprengstoffladen. Eine junge, braunhaarige Dame kam auf mich zu. Sie war nicht sonderlich hübsch, und gerade deshalb mußte sich mein Verdacht bestätigen. Ich ging direkt auf mein Ziel los. »Sie waren mit einem gewissen Mister Harry Meiling eng befreundet, nicht wahr?«
Sie erschrak, wurde puterrot, im selben Augenblick wieder blaß und wich entsetzt vor mir zurück. Okay, mehr brauchte ich im Augenblick gar nicht herauszuholen.
Durch sie mußte Meiling an die Dynamitladungen gekommen sein. Das war nur ein kleiner Punkt, aber schließlich mußte auch das geklärt werden. Ich war sicher, daß die Kleine bei einem offiziellen Verhör dem FBI alles erzählen würde. So brauchte ich mich nicht länger aufzuhalten.
Ich verließ den Laden und die völlig verwirrte Verkäuferin. Dann brachte mich mein Taxi in das Hafengelände. Gegen vier Uhr nachmittags kam ich an meinem Ziel an.
Ich stieg aus, bezahlte und schickte den Wagen wieder weg.
Dann sah ich mich um. Unwillkürlich tastete ich zu meiner linken Achselhöhle. Okay, die Null-acht saß im Halfter. Also los.
Ich ging auf die windschiefe, verfallene Bude zu, die mitten zwischen Speicherhallen und großen Lagergebäuden eingeklemmt stand.
Unten war eine schmale Tür, die nur aus Latten und angefaulten Brettern bestand. Ich stieß sie auf und tastete mich in das Dunkel hinein.
Aus einer Ecke kam eine brummende Stimme:
»Halt! Nicht weiter! Wer ist da?«
Ich blieb stehen. Unwillkürlich mußte ich grinsen. Ich kannte diese Stimme nur zu gut.
»Tom Hol«, erwiderte ich.
»Tom Hol? Nie gehört!«, behauptete die Stimme.
Das wollte ich gern glauben. Aber die Wahrheit konnte ich ja nicht sagen.
»Komm her, Billy!« rief ich. »Hab' keine Angst. Cotton war ein guter Freund von mir. Der gab mir deine Adresse. Sagte, ich sollte mich an dich wenden, wenn ich mal etwas brauchte. Sein Name würde mir bei dir Tür und Tor öffnen.«
In der dunklen Ecke rührte sich etwas. Ich-- hörte schlurfende Schritte, dann wurde ein Zündholz angerieben und eine alte Petroleumlampe angesteckt. Ich sah in das verwilderte Gesich von Billy Ray, den sie im Hafen nur den ,Whisky-Billy nennen. Er ist einer von den Leuten, die Amerika wie ihre Westentasche kennen. Sein ganzes Leben lang trampte er kreuz und quer durch die Staaten. Immer bettelnd, immer unterwegs, fast immer betrunken und nie hinter einer wirklichen Arbeit her. Auf seine alten Tage hatte er sich dann im Hafen diese Bude ausfindig gemacht, und seither lebte er davon, in den Spelunken und Kneipen den alten Idioten zu spielen und sich dafür ein paar Dimes schenken zu lassen. Für zwei Whisky durfte ihn jeder betrunkene Seemann dreimal einen alten, ausrangierten, blutigen, verdammten Idioten nennen. Well, so etwas gibt's.
Es stellte sich schnell heraus, daß Jerry Cotton bei Billy einen dicken Stein im Brett gehabt hatte. ,Weil er mir immer Whisky spendierte und mich trotzdem nie einen alten Idioten nannte. Na,
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