0016 - Das Mädchen von Atlantis
dem, was hinter mir lag. Ich packte das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine und fuhr mit dem Lift in die Tiefgarage, wo mein Bentley parkte.
Zwei Hausbewohner begegneten mir unterwegs. Sie grüßten freundlich. Die Menschen hatten sicherlich gut geschlafen. Sie ahnten nichts von der Gefahr, die sich wieder einmal zusammenbraute.
Der Bentley sprang sofort an. Auf ihn konnte ich mich hundertprozentig verlassen. Er wurde auch laufend durchgecheckt. Durch den Morgenverkehr wühlte ich mich in Richtung Scotland Yard.
Glenda Perkins, meine Sekretärin, empfing mich mit einem strahlenden Lächeln.
Die schwarzhaarige Glenda empfand für mich mehr als nur Sympathie. Und auch ich mußte sagen, daß sie ein Girl war, nach dem sich mancher Mann die Finger leckte. Mit ihrer Klassefigur und der strammen Oberweite hätte sie so manchen Filmstar ausgestochen.
»Der Kaffee ist schon fertig«, sagte sie.
Ich blieb neben ihrem Schreibtisch stehen und lächelte. »Sie sind ein Schatz, Glenda. Übrigens, benutzen Sie ein neues Parfüm?«
Sie wurde etwas rot. »Was Sie nicht alles merken!«
»Bei schönen Frauen merke ich mir eben jede Kleinigkeit.« Mit diesen Worten ging ich auf mein Büro zu. Ich ahnte, daß ihr Herz jetzt kräftiger schlug.
Auf meinem Schreibtisch lagen bereits die Berichte über die Verbrechen, die in der vergangenen Nacht passiert waren. Ich las sie durch. Diese morgendliche Pflicht hatte jeder Kollege zu erfüllen. Schon oft hatte es Parallelen zu einem Fall gegeben, an dem man selbst arbeitete und der so gelöst werden konnte. Doch in der vergangenen Nacht war nichts passiert, was mich in meinen Ermittlungen weitergebracht hätte. Glenda brachte den Kaffee. Sie trug an diesem Morgen eine hellblaue Hose, dazu eine passende Bluse mit einem Bolero darüber. An der Bluse hatte sie die obersten drei Knöpfe geöffnet. Das war modern, wie ich wußte.
Als sie den Kaffee hinstellte, beugte sie sich so über den Schreibtisch, daß mein Blick zwangsläufig in den Ausschnitt fallen mußte. Und was ich da kurz sah, war nicht von schlechten Eltern.
»Mit zwei Stück Zucker, wie Sie es gewünscht haben, Mr. Sinclair«, sagte sie.
Ich riß mich von dem Anblick los, nickte lobend und fragte: »Ist der Alte im Haus?«
»Ja.«
»Okay, dann werde ich gleich mal zu ihm gehen. Wie ist seine Laune?«
»Nicht besonders. Das Wetter, wissen Sie…«
»Verstehe schon.«
Glenda ging wieder. Natürlich nicht, ohne ihren rasanten Hüftschwung demonstriert zu haben. Teufel auch, die Kleine konnte einen Mann schon schwach machen. Ich riß mich zusammen. Liebe im Büro ist ein Spiel mit dem Feuer.
Ich wollte mich sicherheitshalber bei Superintendent Powell, meinem Chef, anmelden. Aber ich kam nicht dazu, weil sich Quälgeist Nummer eins, das Telefon, meldete.
»Ein Gespräch aus Deutschland«, sagte das Girl von der Vermittlung.
Ich runzelte die Stirn. Germany? Wer rief mich denn von dort an? Ich kannte eigentlich nur einen Deutschen, der mich hin und wieder im Büro anrief, Kommissar Mallmann. Er war es tatsächlich.
»Hallo, John, du alter Geisterfresser!« rief er. Seine Stimme klang so klar, als würde er direkt neben mir stehen.
»Will! Was treibt dich denn zu solch einer frühen Stunde aus dem Bett? Ich dachte immer, deutsche Beamte schliefen länger?«
»Hast du eine Ahnung. Wir sind die einzigen, die noch richtig arbeiten.«
»Dann paß nur auf, daß du ein Rundschreiben nicht zu schnell liest, mein Lieber.«
»Wieso?«
»Ich kannte einen, der hat dabei einen Kreislaufkollaps erlitten«, erwiderte ich lachend.
Will Mallmann lachte auch, doch wurde er sehr schnell ernst. »Leider rufe ich dich nicht zum Vergnügen an, John. Es geht um einen heißen Fall.«
»Erzähle.«
»In einer Boulevardzeitung stand zu lesen, daß aus einer Leichenhalle im Frankfurter Raum eine Tote verschwunden ist. Einfach so. Und ein von den Reportern interviewter Friedhofswärter schwört Stein und Bein, daß er mit eigenen Augen die Tote habe weggehen sehen. Der Mann ist zuverlässig, wie mir scheint. Ich habe ihn selbst angerufen. Du weißt ja, John, seit ich dich kenne, ist mir nichts Menschliches mehr fremd. Es ist durchaus möglich, daß wir es mit einer lebenden Leiche zu tun haben, so wie ich die Sache sehe.«
Ich war sofort hellhörig geworden. »Gib mir den Namen der Person.«
»Karin Schneider.« Mallmann räusperte sich. »Nein, John, sie hat ja geheiratet. Sie heißt jetzt Karin von Rodeneck. Sie hatte sie einen
Weitere Kostenlose Bücher