0016 - Das Mädchen von Atlantis
mit ansehen zu können, wenn du stirbst!« zischte sie. »Und auch die Polizei kann dir nicht helfen. Es war einer bei mir. Du kennst ihn gut. Er heißt Sinclair. John Sinclair. Er ahnte wohl, daß du bei mir gewesen bist, konnte es aber nicht beweisen. Unverrichteter Dinge mißte er wieder abziehen. So geht es im Leben. Und jetzt rechne dir mal selbst deine Chancen aus, Jane Collins.«
Ein winziger Hoffnungsfunke flammte in Jane auf. Wenn John tatsächlich diese obskure Agentur aufgesucht hatte, dann hatte er auch Verdacht geschöpft. Und wie sie den Geisterjäger kannte, würde er nicht lockerlassen.
»Schluß jetzt mit dem Gerede!« befahl Azarin. »Wir warten noch auf die beiden anderen, und dann geht es ab.« Ohne Jane noch einen Blick zu gönnen, machte er auf dem Absatz kehrt und verließ das Keller-Gefängnis.
Marga folgte ihm rückwärts gehend. Nach wie vor bedrohte sie mit der Waffe die blonde Detektivin.
Dumpf fiel die Eisentür ins Schloß.
Jane war wieder mit den beiden Untoten allein.
Die nächsten Worte trafen sie hart. »Du bist unsere Feindin!« schrie Karin von Rodeneck. »Ich habe es genau gehört. Du bist eine Gegnerin der alten Rasse. Töten, ich sollte dich töten!«
Ehe sich Jane versah, sprang Karin auf die Detektivin zu. Sie wollte ihr die Finger ins Gesicht stoßen.
Jane bückte sich, unterlief den Stoß, drehte sich dabei, packte die zurückschnellenden Hände und schleuderte die Untote über sich hinweg. Karin krachte zu Boden.
Blitzschnell stand Jane neben ihr, den Fuß zu einem Karatetritt bereit, doch die Untote machte keinerlei Anstalten, abermals anzugreifen.
Teuflisch grinsend blickte sie Jane Collins von unten her an. »Du«, knurrte sie, »du kommst auch noch an die Reihe. Verlaß dich darauf. Dann wird der Schwarze Tod dich fressen…«
***
Es war regelrechtes Horror-Wetter. Der Frühjahrswind trieb dicke Wolkenberge vor sich her und rüttelte an den Zweigen der Trauerweiden. Er bog sie dem Boden entgegen, fegte mit ihnen über den Kies der Wege und schüttelte sie dann wieder zur Seite. Schneeregen fegte schräg auf die Erde hernieder, prasselte auf Grabsteine, klatschte auf feuchtes, schweres Erdreich und trommelte gegen Fenster und Türen der kleinen Leichenhalle. Im Schutz dieser Halle lauerte Suko. Er war mit seinem Motorrad hergekommen, einer Harley Davidson, und trug daher wetterfeste Lederkleidung, einen Helm und eine Brille vor den Augen. Er hatte die Maschine aufgebockt und sie so hingestellt, daß sie nicht gesehen werden konnte. Aber wer ging um diese Zeit und bei dem Wetter schon auf einen Friedhof? Selbst der Totengräber hatte sich in sein Haus weitab des Friedhofs verzogen und hockte dort hinter dem warmen Ofen.
Suko war sauer. Er sah aber ein, daß es keine andere Möglichkeit gab. Wenn sie am Ball bleiben wollten, mußte die Tote überwacht werden.
Sollte sie tatsächlich wieder ins Leben zurückkehren, so hatte Suko vor, ihr zu folgen. Er wollte sie auf keinen Fall angreifen und zurückhalten.
Kontakt mit mir hielt er durch ein leistungsstarkes Funkgerät. Ein Walkie-talkie, wie es im Fachjargon heißt.
Ich hockte in meinem Büro und war startbereit für eventuelle Einsätze. Für mich war es am besten, erst einmal im Yard-Gebäude zu bleiben. Falls man doch eine Spur von Jane Collins fand, erfuhr ich es so auf die schnellste Weise. In einer wahren Sintflut rauschte der Regen auf die Erde nieder. Trotz der schützenden Kleidung liefen Suko die Tropfen in den Nacken und rieselten kalt den Rücken hinunter. Er hatte sein Helmvisier hochgeschoben. Sein Gesicht war klatschnaß. Das Rauschen des Regens erstickte jeden anderen Laut. Suko mußte sich stark konzentrieren, um überhaupt etwas zu hören.
Die Fenster der Leichenhalle waren schmal und ziemlich hoch. Oben liefen sie spitz zu, bildeten so ein kleines Dach. Suko hatte zwei Steine herbeigeschleppt und sie unter eines der Fenster gelegt. Hin und wieder stieg er auf diese provisorische Treppe und sah in die Halle. Doch er konnte nichts erkennen. Es war unmöglich.
Erstens war es in der Halle dunkel, und zweitens rannen regelrechte Wasserschlieren an der Außenseite der Scheibe herab. Zum Glück hatte Suko die Geduld seiner Vorväter geerbt. Ihn konnte so leicht nichts aus der Ruhe bringen. Wer ihn sah, dachte sofort an einen Preisringer. Suko war fast so breit wie groß, hatte ein rundes Gesicht und trug das schwarze Haar gescheitelt. Er wirkte zwar gefährlich, doch in Wirklichkeit hatte er
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