0016 - Das Mädchen von Atlantis
mich dort an.«
»Geht in Ordnung, Sir.«
Ich ging zurück in mein Büro, pflanzte mich hinter den Schreibtisch und verfiel ins Grübeln.
Es sah im Augenblick mies für uns aus. Das zuzugeben fiel mir gar nicht schwer. Ich konnte nichts tun. Nur hinter dem Schreibtisch hocken und warten.
Mit jeder Minute, die verging, steigerte sich die Angst um Jane Collins…
***
Irgendwann in der Nacht betrat Marga das Kellerverlies. Jane kauerte auf dem Boden. Als die Tür aufging, schreckte sie hoch. Marga trug ein Tablett mit Essen. Aus einer offenen Schüssel dampfte es. Daneben stand ein Becher mit Kaffee. »Damit du uns nicht verhungerst«, sagte sie und stellte das Tablett zu Boden.
Ehe Jane reagieren konnte, war Marga schon wieder verschwunden. Für die Detektivin ging es zu schnell. Sie war nicht dazu gekommen, Marga zu überwältigen und dann abzuhauen.
Karin lag wieder im Sarg. Sie hielt die Augen geschlossen und die Hände vor der Brust gefaltet. Kein Atemzug unterbrach die Stille. Die Untote bot einen makabren Anblick. Jane Collins nahm das Tablett auf. Sie überlegte, ob sie etwas essen sollte, doch dann siegte ihr Verstand. Was nutzte es ihr, wenn sie in diesem Verlies dahinvegetierte und ihre Kräfte immer mehr abnahmen? Gift hatte man ihr wohl nicht in das Essen getan. Dieser Azarin wollte sie lebend. Hinter ihr richtete sich die Untote auf. »Du ißt?« fragte sie mit schwacher Stimme.
Jane hatte das Tablett auf die Knie gestellt und blickte Karin an. »Ja, warum nicht?«
»Schon gut.«
Jane hob den Deckel ab. In der Schüssel befand sich irgend ein Eintopf. Der Löffel steckte. Jane probierte und fand, daß das Essen nicht schlecht schmeckte. Vielleicht trieb es auch nur der Hunger hinein. Das heiße Getränk wärmte sie von innen. Selten hatte Jane ein Schluck Kaffee so gut getan. Die Detektivin hatte sich mit ihrer Situation abgefunden, so gut es ging. Sie hoffte immer noch auf John Sinclair, der ja ihre Spur finden mußte. Außerdem hatte Azarin nicht vor, so rasch aus dem Haus zu verschwinden. Er wartete noch auf drei weitere Mädchen. Und das erste kam. Es war in den frühen Morgenstunden, als Jane Collins draußen auf dem Gang Schritte hörte. Den Geräuschen nach zu urteilen waren es mindestens zwei Personen, die sich ihrem Gefängnis näherten.
Die Tür wurde aufgeschlossen und schwang im nächsten Moment nach innen.
Auch Karin hatte sich aufgerichtet. Wie bei Jane Collins war ihr Blick ebenfalls auf die Tür gerichtet. Herein trat ein schwarzhaariges Mädchen. Jane brauchte nur in die Augen des Girls zu sehen, um zu wissen, daß sie ebenfalls eine Untote vor sich hatte. Der Blick war leer und stumpf, das Girl schien seine Umgebung kaum wahrzunehmen. Wahrscheinlich war es erst vor kurzer Zeit aus dem Todesschlaf erwacht.
Hinter dem Mädchen standen Marga und Azarin. Um Azarins Lippen spielte ein triumphierendes Lächeln.
»Fehlen nur noch zwei«, sagte er. »Bald ist das Ziel erreicht.«
Jane sah sich die Untote genau an. Sie war kleiner als die Detektivin, hatte lackschwarzes Haar, eine knabenhafte Figur und ein hübsches Puppengesicht. Ihr langes Leinenhemd hatte einen gelblichen Schimmer.
»Das ist Franca Corelli«, stellte Azarin die Untote vor. »Sie kommt aus Italien zu uns und hat den langen Weg ebenso wie Karin ohne Schwierigkeiten gefunden.«
Jane Collins fragte sich, wie die Untoten dies in ihrem Zustand geschafft hatten.
Karin ging auf Franca zu und umarmte sie. »Willkommen bei uns«, sagte sie. »Das Blut der alten Rasse fließt in deinen Adern. Atlantis wird uns gehören. Du bist dem Lockruf gefolgt.« Sie lösten sich voneinander und gingen zu den Särgen.
»Der ist für dich«, sagte Karin und wies auf den Sarg, der ganz links stand. »Leg dich hinein und ruh dich aus.«
Franca stieg in die Totenkiste. Sie hatte noch kein Wort gesprochen, sondern legte sich sofort auf den Rücken, kreuzte die Hände und starrte die Decke an.
Jane hatte langsam das Gefühl, verrückt zu werden. Sie sah sich den Untoten allein gegenüber, das ging über ihre Nervenkraft.
Azarin merkte, was los war, und lächelte. »Sie sind auch bald an der Reihe, Miss Collins.«
Er war wieder zu einer distanzierten Anrede zurückgekehrt.
»Und was wird mit mir geschehen?« erkundigte sie sich.
Azarin gab keine Antwort. Dafür kicherte Marga. »Soll ich es ihr sagen?«
»Nein, noch nicht.«
Marga hielt die 08 in der Hand. So ganz traute sie Jane Collins nicht. »Es wird mir ein Vergnügen sein,
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