0016 - Das Mädchen von Atlantis
Ja, es gelingt. Ich habe es geschafft, ich ganz allein!« Stille. So rasch, wie es aufgeklungen war, hörte das Prasseln auch wieder auf.
Vorsichtig wandte Jane den Kopf. Ihr Blick konzentrierte sich auf die Statue. Jane hielt den Atem an. Sandra Moran war verschwunden!
Sie und die Statue waren zu einer Person geworden. Die magische Symbiose hatte geklappt!
»Erreicht! Es ist erreicht!« keuchte Azarin. »Jetzt kann uns niemand mehr aufhalten!« Er presste seine Hand um Janes Arm, so fest, daß die Detektivin vor Schmerz aufschrie.
»Karin!« rief Azarin. »Jetzt bist du an der Reihe!«
Karin von Rodeneck schritt auf ihr Ebenbild zu. Jane sah gar nicht hin. Sie beobachtete statt dessen Sandra Moran oder die Figur, die einmal Sandra gewesen war. Bei ihr war das blaue Licht verschwunden. Kalt und glatt, dabei gelblichweiß schimmernd stand die Figur in der Höhle. War sie tot? Lebte sie? Jane schaute genauer hin.
Nein, sie lebte. Sie sah es an den Augen, an den Pupillen, die seltsam blau leuchteten. Eine lebende Statue stand vor Jane Collins. Wieder wurde sie geblendet. Diesmal vollzog sich die magische Symbiose bei Karin von Rodeneck. Sekunden später war auch sie eins geworden mit ihrem steinernen Ebenbild.
»Franca Corelli!« rief Azarin.
Die schwarzhaarige Untote ging los. Sie lief schneller als die beiden ersten, als könne sie den Zeitpunkt gar nicht mehr erwarten.
Abermals geschah das Unfaßbare, das Unglaubliche. Jane fand keine Erklärung. Sie forschte auch erst gar nicht danach. Drei Untote waren eins geworden mit den Statuen. Mit den starren Körpern, die aus einer archaischen Zeit stammten und die ein Fluch zu dem gemacht hatte, was sie waren. Sechs bläulich schimmernde Augen starrten Jane Collins an. Die lebenden Figuren warteten auf sie, lauerten auf die endgültige Erlösung. Das Licht war schwächer geworden. Die Statuen strahlten nicht mehr. Doch an den Wänden schimmerte der blaue Schein. Tief atmete Jane ein. Sie wußte, was kam. Und hatte sich nicht getäuscht.
»Nun du«, sagte Azarin neben ihr. »Geh! Geh zu der vierten Figur und umarme sie. Ich will, daß auch diesmal die Symbiose gelingt.«
Jane Collins zögerte, doch Azarin hatte keine Geduld mehr. Er zerrte Jane vor.
»Geh, verdammt, oder muß ich dich hinschleifen?« Die Detektivin machte den ersten Schritt, dann den zweiten… Ihr Herz hämmerte zum Zerspringen. Hinter sich hörte sie Azarin heftig atmen, Was hatte er gesagt? Sie mußte erst sterben, um die Symbiose einzugehen. Aber noch lebte sie.
Jane bemerkte nicht, was hinter ihrem Rücken geschah. Sie sah nicht, daß Azarin unter seine Jacke griff und einen Gegenstand hervorholte, der an einen vorn zugespitzten Schraubenzieher erinnerte. Er hatte einen Holzgriff und einen langen Eisenstiel. Der Stahl schimmerte bläulich.
»Sterben!« flüsterte Azarin. »Sie muß sterben, erst dann kann es geschehen…«
Er fixierte Jane Collins’ Rücken. Und dort die Stelle unterhalb des linken Schulterblattes. Jane ging wie in Trance. Immer deutlicher sah sie die Figur.
Da hörte sie hinter sich die Schritte. Und dann den gellenden Schrei. »Stirb, Verfluchte…!«
Katzenhaft federte Jane Collins herum. Durch den Schrei hatte sich Azarin selbst verraten, aber er war sich seiner Sache zu sicher.
Der Arm mit der mörderischen Waffe raste herab. Die Spitze zielte schräg auf Janes Hals.
Gedankenschnell kreuzte die Detektivin die Hände, riß sie hoch und wehrte den heimtückischen Stoß ab. Der Unterarm des Mannes prallte gegen ihren kreuzförmigen Abwehrgriff.
Azarin wurde aus dem Konzept gebracht. Er sprang zurück. Janes Tritt fegte an seiner Brust vorbei ins Leere. Und dann erfolgte Azarins Angriff.
Nicht erkennbar im Ansatz und mit ungeheurer Wucht. Jane sah die Waffe auf sich zusausen, hatte eine zu lange Schrecksekunde und ließ sich dann einfach in die Knie fallen. Etwas riß ihr die Schulter auf. Ein siedender Schmerz raste durch ihren Körper, der Mann prallte gegen sie. Sie wurde zu Boden gedrückt, hörte einen Fluch, und dann geschah das Schreckliche.
Jane Collins sah es, als sie sich zur Seite wälzte. Die Waffe hatte ihre Schulter gestreift, doch es hatte noch so viel Wucht hinter dem Stoß gelegen, daß die Spitze in Karin von Rodenecks Statue hineingedrungen war. Wie durch Butter.
Das Material war nicht fest, sondern weich wie Körperhaut. Blut sprudelte plötzlich aus der Einstichstelle oberhalb der Hüfte. Die Figur begann zu wanken, ein röhrender Schrei
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