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0016 - Ich gewann die letzte Runde

0016 - Ich gewann die letzte Runde

Titel: 0016 - Ich gewann die letzte Runde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delfried Kaufmann
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Kopfhaar war voll und weiß, aber es schrie geradezu nach einer Bürste und außerdem nach der Schere. Buschige, fahle, sehr dichte Augenbrauen hingen fast bis auf die goldgeränderte Halbbrille herab. Um seinen Mund und sein Kinn faserte sich ein struppiger dünner Bart. Er mußte die Sechzig überschritten haben. Von seinen schmalen Schultern baumelte eine altmodische weite Jacke fast bis zur Erde. Um den Hals trug er einen Eckenkragen mit einer wahrhaftig nicht fleckenfreien Plastronkrawatte.
    »Entschuldigen Sie die Störung, Mr. Cotton«, flüsterte er heiser, »mein Name ist Edgar B. Hendriksen, Professor für amerikanische Frühgeschichte. Ich möchte mich nur bei Ihnen bedanken, daß Sie mir freundlicherweise den Raum überlassen haben, in dem ich zu schlafen gewöhnt bin.«
    »Oh, keine Ursache, Professor«, antwortete ich, »ein Zimmer ist wie das andere. Nehmen Sie einen Drink? Bitte, setzen Sie sich!«
    Ich holte ein zweites Glas. Er schlug umständlich die Schöße seines Rockes nach vorn und ließ sich auf einen Sessel nieder.
    »Sie sagen das so«, erwiderte er, »aber in meinem Alter ist es höchst unbehaglich, die gewohnte Umgebung verlassen zu müssen.«
    Ich goß sein Glas voll. »Was führt Sie nach Washington, Professor?«
    Er nippte an dem Whisky, hüstelte, zog ein großes Taschentuch aus den Tiefen seines Rockes, hustete sehr ausführlich und sagte: »Entschuldigen Sie bitte, aber ich bin es nicht gewohnt, Alkohol zu mir zu nehmen. Ich vertrage ihn nicht sehr gut.«
    »Tut mir leid, Sie verführt zu haben«, antwortete ich.
    »Oh, es macht nichts. Hier in Washington bin ich zu manchen Handlungen gezwungen, die ich daheim in Lesborn nicht im Traum ausführen würde. Wissen Sie, Mr. Cotton, ich bin der Direktor des Museums für Indianerkultur in Lesborn. Unser Museum ist sehr bedeutend, aber leider gibt es viele Leute, maßgebende Leute, die das nicht einsehen wollen. Jedes Jahr muß ich nach Washington, um für die Bewilligung des Staatszuschusses für mein Museum zu kämpfen. Ich habe Jahr für Jahr größere Schwierigkeiten, ihn durchzusetzen.« Er blickte von unten zu mir herauf. »Haben Sie vielleicht Beziehungen zur Kulturabteilung der Regierung?«
    Ich lachte. »Tut mir leid, Professor, aber auf diesem Gebiet kann ich Ihnen nicht dienen.«
    Er seufzte. »Es ist schwierig, die Leute zu überzeugen. Ich hätte Hilfe nötig.«
    Ich bot ihm eine Zigarette an.
    »Nein, danke«, winkte er ab. »Ich rauche nur sehr selten.« Er erhob sich unter einigem Ächzen.
    »Noch einmal meinen herzlichsten Dank für Ihre Freundlichkeit. Es wäre mir sehr unangenehm gewesen, ein anderes Zimmer beziehen zu müssen.«
    »Keine Ursache, Professor«, antwortete ich und begleitete ihn zur Tür. »Schlafen Sie gut in Ihrem gewohnten Bett.«
    Am anderen Morgen sah ich ihn wieder. Er saß beim Frühstück, zwei Tische von dem meinem entfernt, und aß ein Ei, von dem nicht wenig in seinem Bart hängenblieb. Ich winkte ihm zu, und er erhob sich halb und machte eine artige Verbeugung.
    Im Hauptquartier gab es den gleichen Ärger wie gestern. Heute waren es vier Festnahmen, die ich im einzelnen nachprüfte und die sich im einzelnen als Nieten herausstellten. Ich kannte das von anderen Fahndungsaktionen. Immer, wenn Gangster dringend gesucht werden, häufen sich im Laufe der ersten Woche die Meldungen von Verhaftungen. In der zweiten Woche flauen sie dann ab und hören im Laufe der dritten Woche allmählich völlig auf. Wenn dann in der vierten Woche oder noch später wieder jemand verhaftet wird, kann man fast hundertprozentig sicher sein, daß es sich diesmal wirklich um den Gesuchten handelt. Kurz vor Feierabend kam ein Anruf von Mr. High.
    »Hallo, Jerry«, sagte er, »fein, daß ich Sie direkt erwische. Ich wollte mit Fathgown sprechen, ob Ihr Aufenthalt in Washington wirklich noch nötig ist.«
    »Brauchen Sie mich, Chef?«
    »Nein, so sehr dringend ist es nicht, aber Phil hat mir berichtet, wie die Aktion in Washington steht. Ich habe es nicht gern, wenn meine besten Leute auf Eis liegen. Wenn Fathgown glaubt, er müßte Sie unbedingt bei der Vernehmung der Bande dabei haben, sind Sie doch auch von New York aus innerhalb von vierundzwanzig Stunden an jedem Ort der USA, an dem er Sie wünscht. Warum sollen Sie ausgerechnet in Washington darauf warten, daß die Bande gefaßt wird?«
    »Vielen Dank, Chef«, sagte ich. »Sie tun mir einen Gefallen damit. Ich werde mit Fathgown sprechen. Ich rufe Sie wieder an.

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