0017 - Wolfsnacht
einmal.«
Der Offizier winkte müde ab.
»Machen Sie sich keine Gedanken, Signore. Nutzen Sie lieber die Zeit, die Ihnen noch bleibt. Auf Wiedersehen.«
Zamorra nickte grüßend und öffnete die Tür.
Als er in den Gang trat, glaubte er, einen Schatten zu sehen, der im Dienstzimmer der Bereitschaft verschwand. Sicher war er sich nicht.
Doch als er im Vorbeigehen den haßerfüllten Blick des Polizisten sah, der ihn zum Capitano geführt hatte, lief es ihm unwillkürlich kalt über den Rücken.
Was mochte diesen idyllischen Ort an einem der schönsten Seen Europas so sehr bedrohen, daß sogar ein Polizeioffizier vor Angst fast umkippte?
***
Antonio DeZordo, der Arzt, hatte von einem der kleinen Fenster aus seinen Besucher beobachtet.
Mißtrauisch verfolgte er jede seiner Bewegungen, und er zog erst wieder die Gardine vor, als er seinen Blicken entschwunden war.
Dann blieb er einen Moment nachdenklich stehen.
Dieses Amulett hatte ihm einen riesigen Schreck eingejagt. Er kannte die geheimnisvollen Zeichen, kannte sie seit dreihundert Jahren. Er hatte eine erbärmliche Angst davor, und deswegen haßte er sie.
Dreihundert Jahre! Der Arzt schloß die Augen. Augenblicklich sah er die Szene wieder vor sich. Er erkannte die Häuser des kleinen Ortes, in dem er nun ein jämmerliches Dasein als Landarzt führen mußte. Verdammt zur Untätigkeit. Und das nur, weil vor dreihundert Jahren eine aufgebrachte Bürgerschar seine Eltern getötet und dann verbrannt hatte.
Doch er würde das alte Gelübde erfüllen. Er, der mit dem Satan im Bunde stand, würde ihm das Opfer bringen, um ihn wieder auf die Erde zu rufen. Der Höllenfürst würde aus seinem Reich auferstehen und über die Welt herrschen.
Zwei junge und bildhübsche Frauen mußten deshalb ihr Leben lassen.
Und er würde sie hinrichten. Sie mußten sterben, damit Satan leben konnte.
Die erste hatte er bereits. Sie lag in seinem Haus. Der Zufall hatte ihm geholfen.
Was seinem Diener nicht gelungen war, er, der Meister hatte es geschafft. Und er würde auch die andere Frau finden.
Doch nein, finden brauchte er sie nicht mehr. Er wußte schon, wer es sein würde. Diese Assistentin des Mannes, mit dem er in der Nacht und gerade eben gesprochen hatte.
Der Arzt sah das Mädchen vor sich. Wie sie an einem Tisch saß und über den See blickte.
Er, der Meister, hatte bereits seine Klauen nach ihr ausgestreckt.
Sie wußte es noch nicht, würde es nie wissen.
Ja, auf seine Heerschar des Bösen konnte sich der Meister verlassen. Überall waren sie. Ihnen entging nichts. Nicht mehr lange, und er würde sie rufen. Und dann drohte dem Ort Limone Sul Garda der Untergang.
Er würde zu einer Festung Satans!
Mit schweren Schritten ging der Arzt in das Zimmer des Mädchens, das man ihm in der Nacht gebracht hatte.
Sie schien tief zu schlafen. Ihr Atem ging ruhig.
Der Arzt berührte mit dem Zeigefinger der linken Hand ihre Schläfe.
Augenblicklich schlug sie die Augen auf. Ihr Gesicht blieb völlig ausdruckslos wie das einer Puppe.
»Du wirst bald eine Tochter der Hölle sein, mein Kind.«
»Eine Tochter der Hölle…«, wiederholte Franca Capolli träge.
Sie war nicht mehr Herr ihrer selbst. Ein massiver Block hatte sich über ihr Denken gelegt. Sie erinnerte sich an nichts mehr. Sie spürte auch nichts von dem verderblichen Einfluß, den dieser Mann vor ihrem Bett auf sie hatte.
Sie war in seiner Gewalt, war ihm ausgeliefert, verfallen.
Der alte Mann lachte. »Nun, Töchterchen, wie gefällt es dir hier? Geht es dir gut? Wenn dir etwas fehlt, dann sag es nur. Der Satan soll ein schönes, ein gesundes Mädchen als Opfergabe erhalten. An dir darf kein Makel sein, sonst folgt er nicht dem Ruf unserer Gemeinschaft. Warte nur, bald ist es soweit.«
Das Mädchen mit dem blassen Gesicht nickte unmerklich, und ein zufriedenes Lächeln überzog ihre Züge. »Bald, bald – Satan…«
Der Unheimliche vollführte wieder eine Bewegung, als wolle er über ihre Augen streichen. Sofort versank sie wieder in tiefen Schlaf.
Dann drehte sich der Alte abrupt um und verließ den düsteren Raum.
Er stieg über eine Treppe in das obere Stockwerk, verharrte kurz vor einer Tür und öffnete sie dann. Betäubende Düfte schlugen ihm entgegen. Ein weißlichgrünes Leuchten erfüllte den Raum.
Er schloß die Tür hinter sich. Dann näherte er sich einem Steinblock, auf dem eine Statue stand.
Es war ein Abbild des Teufels, wie er seit Jahrhunderten immer wieder dargestellt wurde.
Ein
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