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0017 - Wolfsnacht

0017 - Wolfsnacht

Titel: 0017 - Wolfsnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kubiak
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gestoßen. Auch beschäftigte er sich sehr intensiv mit der Legenden- und Sagenwelt dieser Gegend im Norden des Gardasees und konnte sich durchaus zu den hervorragenden Fachleuten auf diesem Randgebiet der Wissenschaft zählen.
    Von alldem wußte Zamorra nichts. Er erwartete, einen vertrockneten, alten Mann anzutreffen, dessen einzige sinnvolle Tätigkeit darin bestand, die Buchrücken und Regale abzustauben. Um so überraschter und erfreuter war er, als er diese wachen Augen sah und die klare, sonore Stimme hörte, die ihm verriet, daß der alte Mann vor ihm in vollster geistiger Blüte stand.
    »Mein Name ist Zamorra. Ich…«
    »Zamorra? Professor Zamorra?« unterbrach ihn der Bibliothekar aufgeregt.
    Zamorra nickte bejahend.
    »Welche Freude. Immer habe ich mir einmal gewünscht, den Meister des Übersinnlichen persönlich zu treffen. Ich kenne Ihre Werke, Professor. Ich habe sie alle gelesen. Es war immer ein Erlebnis. Sie schreiben über die Dämonen und Geister, als würden diese bei Ihnen ein und aus gehen. Sie müssen sehr weit herumgekommen sein – oder?«
    Zamorra winkte ab.
    »Keine Aufregung, Signor Gionti. Vor allen Dingen, nicht so laut. Es braucht noch niemand zu wissen, daß ich mich hier aufhalte. Das würde nur meine Nachforschungen erschweren. Aber Sie haben recht. Ich habe schon sehr viele geheimnisvolle Dinge auf dieser Welt gesehen. Und die Welt der Geister und Dämonen ist mir nicht fremd. Doch es gibt Weisere, als ich es bin. Ihnen gebührt eigentlich der Ruhm und die Ehre. Doch nun zu etwas anderem. Ich bin hier einem Geheimnis auf der Spur. Beantworten Sie mir bitte ganz ehrlich eine Frage: Gibt es in dieser Gegend Wölfe?«
    Für einige Augenblicke sagte Carlo Gionti kein Wort. Er strich sich nur nachdenklich das Kinn, wobei sein Blick in die Ferne schweifte.
    Dann räusperte er sich.
    »Also, Signor Professor, das ist eine schwierige Frage. Einem normalen Durchschnittsmenschen könnte ich sie nicht wahrheitsgetreu beantworten. Er würde es nicht verstehen. Doch Sie kennen sich mit den Geheimnissen dieser Welt aus und wissen damit etwas anzufangen. Nun, eigentlich gibt es hier keine Wölfe, soweit es sich um die herkömmliche Art dieser vierbeinigen Raubtiere handelt. Andererseits habe ich immer wieder gehört, besonders in diesem Jahr, daß irgendwelche Leute, Touristen oder Einheimische, davon reden, daß sie hier in der Nähe einen Wolf gesehen haben. Immer wenn man dann den jeweiligen Ort untersuchte, konnte man keine Spur entdecken. Darüber hinaus sind in diesem Ort schon Menschen verschwunden, die man nie mehr wiedergesehen hat. Meistens liefen sie nachts hinaus vor die Stadt und kehrten nie mehr zurück. Man wartete und wartete, doch man hörte nichts mehr von ihnen.«
    »Hat man sich denn nicht auf die Lauer gelegt?« wollte Professor Zamorra wissen.
    »Doch, schon. Aber man hatte keinen Erfolg. Entweder erschienen diese Raubtiere dann an einem anderen Ort oder überhaupt nicht. Also, auch hier kein Erfolg.«
    »Signore Gionti. Sie haben soeben bei der Erwähnung der Wölfe eine Unterscheidung getroffen, die sicher nicht ohne tiefere Bedeutung ist. Sie sprachen von normalen Wölfen, von der weltbekannten sibirischen Rasse dieser Raubtiere. Glauben Sie etwa, daß die Tiere, die hier den Einwohnern oder Touristen erschienen sind, keine normalen Wölfe sind?«
    Zamorras Gesicht spiegelte seine innere Anspannung wider.
    Carlo Gionti blickte sich nach allen Seiten um, als hätte er Angst, belauscht zu werden. Dann nahm er den Professor am Arm und führte ihn in einen der schmalen Gänge zwischen den Regalen.
    »Ihnen kann ich es ja sagen, Professor«, flüsterte er heiser. »Die anderen hätten mich wahrscheinlich ausgelacht oder aus der Stadt gejagt. Ich bin überzeugt, daß es hier paranormale Erscheinungen gibt. Erscheinungen, die mit modernen und herkömmlichen Methoden nicht zu erklären sind. Ja, Sie ahnen es: Ich glaube, hier gibt es Werwölfe. Das zu beweisen ist eine meiner Haupttätigkeiten und -aufgaben. Und so verrückt diese Idee auch klingen mag, so ungewöhnlich ist sie gar nicht. Da ich ja hier auch das Archiv verwalte, kann ich Einblick in die alten Aufzeichnungen der Gemeinde gewinnen. Und da habe ich etwas gefunden.«
    Er zog den Professor mit sich und schaute sich dabei immer wieder sichernd um. Vor einem Regal, das bis zur Decke des hohen Raumes reichte, blieben sie stehen.
    Zamorra sah Buchrücken, die schon Jahrhunderte auf dem Buckel haben mußten.
    Der alte

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