0018 - Ich und die Bande der Halbstarken
empfahl ich ihm lächelnd. »Wer Zeitung liest, hat mehr vom Leben. Bis dahin Free.«
Ich stand auf, tippte an meinen Hut und verließ ihn. Ich hörte ihn hinter mir grunzen und dann ein leises, rostiges Zischeln. Er sprach wohl mit seiner Leibwache. Ich kümmerte mich aber nicht darum, sondern verließ die Sporthallen und suchte vorn im Vestibül den Aufgang zur Tanzhalle.
Die Tanzhalle war nichts anderes als eine bessere Scheune, deren Wände man mit billigem dunkelroten Kunststoff ausgeschlagen hatte. Obwohl es Spätnachmittag war, betätigte sich bereits eine kleine Combo vorn auf der Empore. Der Raum war mäßig besucht, aber das änderte sich bestimmt, sobald . es Abend wurde. Ich konnte nicht verstehen, wieso sich die Jugendlichen gerade nach hierher gezogen fühlten, aber das lag wohl an den Kapellen, die Free engagierte. Sie waren bestimmt heißer als heiß.
Ich verzichtete erst einmal darauf, zwischen den Tischen durchzugehen, sondern setzte mich an die langgezogene Bartheke und bestellte mir einen Gin-Fizz. Als ich das Glas an den Mund setzte, sah ich unwillkürlich in den Spiegel. Ich hatte nicht nur eine mir bekannte Stimme gehört, sondern auch ein Gesicht, das ich erst vor ganz kurzer Zeit gesehen hatte.
Und richtig, ich entdeckte Paul Vanny, der weit hinten an der Stirnseite des Lokals dicht neben der Band an einem Tisch saß und sehr eindringlich und aufgeregt auf ein Mädchen einredete. Und dieses Mädchen war keine andere als Lonny Stewart, das Mädchen, das ich während der Pause im College gesehen hatte.
Lonny Stewart sprang vom Sitz hoch und schleuderte Paul Vanny den Inhalt ihres Glases ins Gesicht. Ich hörte es bis hierher zur Bartheke klatschen und grinste unwillkürlich. Mir gefiel die resolute Art des Mädchens.
Paul Vanny dagegen war damit gar nicht einverstanden. Er holte aus und verabreichte Lonny Stewart eine schallende Ohrfeige.
Die Band hörte einen Moment auf zu spielen, um dann mit verdoppelter Kraft loszulegen. Lonny Stewart drehte sich auf dem Absatz um und lief fast zurück zur Tür. Paul Vanny folgte ihr und legte es darauf an, sie noch vor der Tür zu erreichen. Beide waren so miteinander beschäftigt, daß sie mich überhaupt nicht sahen, obwohl ich mich in ihrer unmittelbaren Nähe befand.
Paul Vanny hatte Lonny Stewart erreicht.
»Wenn du nur ein Wort sagst«, meinte er gerade zu ihr, und seine Stimme war nichts anderes als eine schwere Bedrohung, »dann weißt du, was dir blüht. Hast du mich verstanden?«
»Ich weiß genau, was ich zu tun habe«, erwiderte Lonny Stewart wütend.
Ich sah, daß die Finger von Paul Vanny auf ihrer linken Wange abgemalt waren. Sie wollte sich umdrehen und die Pendeltür aufdrücken, aber in dem Moment schnappten Paul Vannys Hände vor und umklammerten die Handgelenke des jungen Mädchens.
»Du bleibst hier«, zischte er ihr zu. »Tn der Verfassung, in der du dich befindest, richtest du nur Unheil an. Komm zurück an den Tisch und benimm dich anständig! Dann werden wir noch einmal alles in aller Ruhe durchsprechen.«
»Du sollst mich loslassen«, sagte Lonny Stewart, und in ihrer Stimme war so etwas wie unterdrücktes Weinen.
Paul Vanny lachte rauh.
»Du gehst jetzt mit zurück zum Tisch«, befahl er ihr. »Du kannst doch mit mir nicht machen, was du willst.«
»Laß mich los!« sagte sie wütend.
Sie wollte sich aus seiner Umklammerung losreißen, aber Paul Vanny dachte nicht daran, sie freizugeben. Er schien sich hier oben in der Tanzhalle als der unumschränkte Herrscher -zu fühlen.
»Ich würde sie loslassen«, mischte ich mich da in das Gespräch ein.
Paul Vanny erkannte mich. Seine Hände gaben die Handgelenke des jungen Mädchens frei. Und dann stürzte er sich auf mich wie ein Kampfstier, den man monatelang auf den großen Moment in der Arena vorbereitet hatte. Ich ließ ihn kommen und sprang dann blitzschnell zur Seite. Er hatte soviel Fahrt, daß er die Theko rammte. Er stöhnte auf, wollte sich am Barhocker festhalten, rutschte aber haltlos zu Boden. Ich zog ihn am Rockkragen wieder hoch und verabreichte ihm eine klatschende Ohrfeige. Lonny Stewart hatte allerdings diesen Moment genutzt, um zu verschwinden. Es tat mir leid, denn sie hätte mir bestimmt, einige Fragen beantworten können. Aber ich nahm mir vor, das so schnell wie möglich nachzuholen.
Als ich wenige Minuten später zusammen mit Paul Vanny hinunter zu meinem Wagen gehen wollte, erlebte ich einen kleinen Betriebsunfall.
Es war einzig und allein
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