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0019 - Die Schreckenskammer

0019 - Die Schreckenskammer

Titel: 0019 - Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
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daß er alles vermochte. Er atmete tief, hob den Kopf – und er begegnete den Augen des Magiers.
    Immer noch war die tiefe, steinerne Ruhe in diesen Augen. Calgaro sah es, und seine Lider weiteten sich in ungläubiger Verwunderung.
    »Du hast gesehen…«, begann er.
    Der Magier blickte ihn an.
    Seine Augen waren sehr hell. Fast durchsichtig, grau wie Novemberregen. Auf dem Grund der Pupillenschächte schienen Eiskristalle zu funkeln. Winzige Kristalle, in denen sich das Licht fing, gleißte, gebündelt wurde, reflektiert und…
    Calgaro fuhr zusammen.
    Seine Lider zuckten, die Nasenflügel bebten. Er starrte den Kopf an. Lauernd, begierig, besessen starrte er den Kopf an, wartete auf das, was er sehen wollte und nicht sah, und spürte, wie Haß und Wut und Enttäuschung gleich einem Feuer in ihm aufloderten.
    »Hast du es gesehen?« fauchte er. »Hast du gesehen, was ich vermag, Alban? Hast du gesehen…«
    Marric antwortete nicht.
    Dr. Calgaro keuchte. Die Augen des Magiers sahen ihn immer noch an, sahen ihn nur an, ruhig, wartend, und Calgaro spürte, daß der Haß aus seinem Innern verschwand wie eine Woge, die sich vom Ufer zurückzieht. Leere breitete sich in ihm aus. Eine seltsame, verschwimmende Leere, die ihn wieder diesem furchtbaren Blick auslieferte. Einem Blick, dessen kaltes Gleißen wie eine Berührung war, der sich wandelte, verdichtete, zu einem Strom von Energie wurde und…
    Giordano Calgaro begriff.
    Wie ein Blitz durchzuckte ihn die Erkenntnis. Seine Lider wurden weit, seine Lippen öffneten sich, und mit einem tiefen Atemzug sog er wieder den Haß in sich hinein und die Kraft, die fast versagt hatte.
    »Nein«, flüsterte er. »O nein, Alban, das nicht! Du bist ein Narr! Du glaubst, dich mit mir messen zu können, du willst mich unterwerfen, du bildest dir ein…«
    »Sieh mich an«, sagte die Stimme des Magiers leise.
    Calgaro atmete heftig. Nach dem endlosen Schweigen traf ihn der Klang der Stimme wie ein Schlag. Er hob die Augen, mußte erneut dem Blick begegnen.
    »Du kannst nicht«, flüsterte er. »Du kannst nicht, du…«
    Die Umgebung verschwamm.
    Calgaro sah nur noch die Augen, nichts anderes.
    Mit einem verzweifelten Gefühl des Versinkens wurde ihm bewußt, daß es zu spät war, daß er seine Kraft vergeudet hatte in sinnlosen Demonstrationen und daß der Magier die ganze Zeit über auf seine Stunde gewartet hatte.
    Noch einmal gab es einen Riß in dem erstickenden Vorhang.
    Calgaros Wille bäumte sich auf. Er war stark, stärker als alle anderen. Er hatte noch jeden bezwungen! Kraft seiner Gedanken! Kraft seines hypnotischen Blicks! Jede Faser in ihm spannte sich, zitterte, jede Zelle seines Hirns versuchte mit verzweifelter Anstrengung, die zerfasernden Kraftströme zu einem einzigen entscheidenden Blitz zu vereinigen, aber er konnte nicht verhindern, daß sein Bewußtsein ohnmächtig von einer anderen fremden Strömung aufgesogen wurde.
    Nein, schrie es in ihm.
    Es kann nicht sein!
    Er hat keine Macht über mich! Er ist nur ein Kopf auf einem Sockel! Er ist kein Mensch, er hat keine Macht, er ist ein Kopf, ein Kopf, ein Kopf, ein…
    »Hörst du mich, Giordano?« kam die Stimme des Magiers dunkel und ruhig.
    Calgaro atmete flach.
    Seine Lippen standen offen. Seine Augen waren weit und leer und hingen an den Augen über ihm.
    »Gut, Giordano, gut. Du wirst mir gehorchen. Du wirst tun, was ich dir befehle, Giordano! Alles, Giordano!«
    »Alles!« wiederholte Calgaro wie ein fernes Echo.
    Für einem Moment war es still – eine Stille wie ein langes Atemholen.
    »Hör mir zu«, sagte Marric.
    Und der Kopf auf dem Sockel lächelte, als er seine Befehle gab…
    ***
    Als Professor Zamorra den Wagen in eine Schneise rangierte und ausstieg, erfüllte ihn eine tiefe, beinahe fieberhafte Unruhe.
    Er wußte nicht, daß Jessica unter Dr. Calgaros hypnotischem Bann stand und daß sie zusammen mit den drei Dienerinnen unterwegs war, um noch einmal einen Mordanschlag zu unternehmen. Er wußte auch nicht, daß Calgaro um diese Zeit ein neuerliches wahnwitziges Experiment vornahm, ein Experiment, das nicht seinem eigenen Willen entsprang und das ihm zum Verhängnis werden sollte. Aber Zamorra spürte, daß sich die Dinge zuspitzten, er fühlte mit jeder Faser, daß in diesen Minuten Entscheidendes geschah, und er tastete unwillkürlich nach dem Amulett um seinen Hals, als könne es ihn davor bewahren, einen Fehler zu machen.
    Die Strecke bis nach Farlund Castle legte er zu Fuß zurück.
    Er

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