Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0019 - Die Schreckenskammer

0019 - Die Schreckenskammer

Titel: 0019 - Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
Vom Netzwerk:
alles in der Welt, war sie dann vor ihm davongelaufen?
    Er verstand das alles nicht. Er wußte nur, daß er Claire helfen mußte, und er war entschlossen, nicht zu ruhen, ehe er sie wiedergefunden hatte.
    Sein schmales Jungengesicht wirkte hart und kantig, als er die Hauptstraße von Redhorn überquerte und auf das Haus zusteuerte, über dessen Tür in blauen Neonbuchstaben das Wort »Police« stand…
    ***
    Professor Zamorra ließ die Zeitung sinken.
    Er hatte die Meldung jetzt zum drittenmal gelesen. Ein kurzer Bericht über drei spurlos verschwundene Mädchen aus einer Kleinstadt in der Nähe New Yorks, interessant lediglich durch die Tatsache, daß ein junger Mann, dessen Schwester unter den Verschwundenen war, ein Verbrechen vermutete und die Polizei öffentlich der Unfähigkeit bezichtigte. Eine Zeitungsmeldung wie hundert andere – aber irgend etwas war daran, das Professor Zamorra nicht losließ.
    Er zündete sich eine Zigarette an, stand auf und trat ans Fenster des Hotelzimmers. Tief unter ihm brandete der Verkehr der Park Avenue. Zamorra hatte in New York an einem internationalen Kongreß für Parapsychologie teilgenommen. Heute nachmittag wollte er nach Frankreich zurückfliegen. Auf das Schloß im Loiretal, das er von seinem Onkel geerbt hatte, zusammen mit einem düsteren Geheimnis und mit jenem silbernen Amulett, das seinem Besitzer Macht über die Kräfte des Übersinnlichen verlieh und…
    Zamorras Gedanken stockten.
    Die Erinnerung an das Amulett brachte irgendeine Saite in seinem Inneren zum Schwingen. Ein kühles Prickeln rann über seinen Rücken, und für Sekunden hatte er Mühe, gegen das Gefühl des Unheimlichen, Bedrohlichen anzukämpfen, das ihn überkam.
    Reglos blieb er stehen und lauschte in sich hinein. Er kannte solche Augenblicke. Momente, in denen eine Art sechster Sinn in ihm erwachte, eine besondere, durch den Verstand nicht zu erklärende Sensibilität, die ihn befähigte, Dinge zu spüren, die andere Menschen nicht wahrnahmen, weil sie sie nicht wahrnehmen wollten.
    Seit er das Amulett besaß, war er immer wieder mit den Mächten der Finsternis konfrontiert worden, mit dem weiten Gebiet dessen, was gemeinhin als übersinnlich galt. Diese Mächte übten überall ihren unheilvollen Einfluß aus, sie entzogen sich der Begrenzung von Zeit und Raum, und wer eine besondere Begabung dafür besaß, der konnte ihr Wirken auch über die Grenzen von Zeit und Raum hinweg wahrnehmen.
    Zamorra besaß diese Begabung, und er nutzte sie.
    Er mußte sie nutzen. Das silberne Amulett war nicht nur eine mächtige Waffe, es legte ihm auch eine Verpflichtung auf. Wo immer er dem Bösen begegnete, wann immer er von unheimlichen, unerklärlichen Vorgängen erfuhr, wurde er aktiv. Und jetzt, in diesen Sekunden, spürte er jene dunkle Drohung aus der anderen Welt so deutlich wie eine körperliche Berührung.
    Er wandte sich um, zerdrückte die Zigarettenkippe im Ascher.
    Noch einmal las er die Zeitungsmeldung durch, der wohl niemand anders einen zweiten Blick geschenkt hätte und diesmal zweifelte er nicht mehr, daß es dieser Bericht war, der die Unruhe in ihm ausgelöst hatte.
    Hinter dem Verschwinden der drei Mädchen aus Redhorn steckte mehr als ein gewöhnliches Verbrechen.
    Zamorra wußte es. Er wußte es, mit einer Sicherheit, die sich vom Verstand her nicht erklären ließ. Und er wußte auch, daß er zumindest den Versuch machen mußte, das Rätsel zu lösen.
    Eine halbe Stunde später kehrte seine Sekretärin von einem Einkaufsbummel zurück.
    Für Nicole Duval kam die Nachricht, daß sie nicht nach Frankreich zurückfliegen, sondern ein paar Tage in einer Kleinstadt namens Redhorn verbringen würden, vollkommen überraschend. Aber Nicole hatte es sich längst abgewöhnt, sich bei den plötzlichen Entschlüssen ihres Chefs über irgend etwas zu wundern…
    ***
    Jim Coltrane blieb stehen und zog die Schultern hoch.
    Er fröstelte, obwohl er einen dick gefütterten Parka trug. Wolkenfetzen trieben über den Himmel, der Novemberwind riß die letzten welken Blätter von den Bäumen. Nur noch die hochragenden Douglasfichten rechts und links der Straße bildeten eine undurchdringliche grüne Wand.
    Mit zurückgelegtem Kopf blickte Jim den Berg hinauf. Das Haus konnte er von seinem Standplatz aus nicht erkennen, aber er wußte, daß es da war. Farlund Castle! Ein alter Herrensitz, inmitten eines Parks, düster, verwahrlost und vom Verfall gezeichnet. Der Mann, der seit sechs Monaten dort wohnte, hieß

Weitere Kostenlose Bücher