002 - Die Angst erwacht im Todesschloss
welchem
Auftrag er in England weilte, vermochte er das mit einem Mal aufgetauchte
Misstrauen nicht mehr zu unterdrücken.
Er stopfte die Unterlagen, die er sich während der Tonbandmitteilung auf
der Fahrt eingeprägt hatte, in die dafür vorgesehene Tüte und warf auch sie aus
dem Fenster. Dann geschah dasselbe wie mit dem Kassettenrecorder. Ein Blitz,
eine lautlose Explosion und ein schmaler Feuerschein blieben sekundenlang
phosphoreszierend auf der Straße zurück und wurden dann zu einem kleinen
Aschehaufen, den der Wind und der fahrende Wagen davontrieben.
Äußerlich ruhig, doch mit innerer Anspannung saß Larry Brent am Steuer des
Morris. Graue Nebel hüllten den Wagen ein; die kahlen, schwarzen Bäume an der
linken Straßenseite wurden zu gespenstischen Schemen, die ständig ihre Formen
wechselten. Die weit herausragenden dürren Äste schienen wie Geisterfinger zu
sein, die nach dem Morris griffen. Ein plötzlicher Schlag auf das Dach des
Autos ließ Larry wie unter einem Peitschenhieb zusammenfahren.
Ein Ast war herabgefallen!
Unwillkürlich schüttelte Larry den Kopf, dann drang leises Lachen über
seine Lippen.
Doch er fühlte mit einem Mal beinahe körperlich die Drohung, die ihn von
allen Seiten umgab, und er wusste einfach, dass jeden Augenblick etwas
geschehen würde ...
●
Inspektor Diggins weilte seit Stunden in der Nähe des Schlosses. Er stand
an einen Baum gelehnt. Sein bleiches Gesicht wirkte müde. Er hatte inzwischen
Chiefinspektor Hafther und seine Mannschaft aus dem Todesschloss zurückkehren
sehen. Seit dieser Zeit war er wie verabredet auf dem Posten. Und er ließ das
Schloss und die umliegende Umgebung nicht mehr aus den Augen, jedenfalls soweit
es ihm die Sichtverhältnisse ermöglichten. Wie der Buckel eines gigantischen
Ungeheuers türmte sich der mächtige Besitz des Duke of Huntingdon hinter den
brodelnden Nebelwänden auf. Finsternis umgab das Schloss. Nirgends brannte
Licht. Die letzte Leuchte war vor etwa einer halben Stunde gelöscht worden. Im
Schlafzimmer Patricias, der ältesten Tochter des Duke ...
Inspektor Diggins hatte alles fein säuberlich in seinem braunen Notizbuch
vermerkt.
Er trat von einem Bein aufs andere und hörte das Säuseln des Windes, das
manchmal sturmartig anschwoll. Äste knackten unter den Füßen des Mannes; in
nahestehenden Büschen und Sträuchern fing sich der Wind, heulte seltsam und
klagend. Ein Nachtvogel streifte mit mächtigen Flügelschlägen über Diggins
hinweg. Irgendwo schrie ein Kauz, dann war die Luft plötzlich mit anderen
Geräuschen erfüllt.
Ein eigenartiges Seufzen, ein Wimmern, seltsame Töne und Laute, die aus
unendlicher Ferne herübergetragen zu werden schienen! Geräusche, die sich
anhörten, als kämen sie direkt aus dem Vorhof der Hölle ...
Unwillkürlich hielt Diggins den Atem an und griff nach seiner Waffe. Gleich
fühlte er sich ruhiger.
Er blickte sich um. Nichts ... Oder doch? War da nicht ein Schatten, eine
Bewegung?
Die Laute verstärkten sich, schienen jeden Busch, jeden Strauch um ihn
herum auszufüllen. Diggins fühlte, wie eine eiskalte Hand plötzlich nach seinem
Herzen griff. Seine Einsamkeit, seine Verlorenheit in dieser menschenleeren
Gegend wurden ihm mit einem Male bewusst.
Dann sah er wieder den Schatten. Tatsächlich! Einige Sekunden lang stand
eine Gestalt neben einem dürren Baum. Sie löste sich langsam und huschte
lautlos wie ein Gespenst in den Nebel.
Diggins war unfähig, sich von der Stelle zu rühren. Mit brennenden Augen
starrte er auf die schemenhafte Gestalt und fühlte sein Herz bis zum Hals
klopfen. Er durfte sie nicht mehr aus den Augen verlieren! Er wagte sich nach
vorn, blieb im nächsten Augenblick aber zitternd stehen, um sich nach der
Wegemarkierung umzusehen. Er presste die blutleeren Lippen aufeinander. Das
konnte doch nicht wahr sein!
Die Gestalt – bewegte sich auf dem Moor!
Diggins schluckte heftig, sein Adamsapfel schmerzte ihn. Der Inspektor
kannte hier jeden Fußbreit Boden. Deshalb hatte man ihn in diesem Gebiet
eingesetzt. Er war mit der gefährlichen Gegend bestens vertraut. Außerhalb des
ihm bekannten schmalen Pfades gab es keinen zweiten Weg. Dort konnte überhaupt
kein Mensch gehen ...
Der Mann von Scotland Yard hatte das Gefühl, als würden sich unsichtbare
Hände um seine Kehle legen und ihn würgen. Er sah, wie die dunkle Gestalt um
einen Busch herum kam. Sie trug etwas in Händen. Aber wieder verschwand sie
hinter dem nächsten Strauch und
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