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002 - Stadt der Verdammten

002 - Stadt der Verdammten

Titel: 002 - Stadt der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Gefangenen - eine Taratze!
    Drulzas wulstige Schlundlippen legten sich in zahllose Falten. Sie stieß ein heiseres Gekrächze aus. Es gab nicht viel zu lachen in letzter Zeit. Seit der Schwarze Feind ein Haus nach dem anderen eroberte. Aber der Anblick der Beute dort unten brachte sie zum Lachen. »Lecker«, krächzte sie.
    Sie spähte hinüber zum Turm. Der zerklüftete, durch ein gutes Dutzend Baumstämme notdürftig abgestützte Steinquader erhob sich etwa zwanzig Schritte hoch über das Dach. Die Krone eines Laubbaumes ragte aus den überresten der Ziegel, die fast vollständig von grünem Gestrüpp überwuchert waren. Aus dem Glockenstuhl des Turmes bogen sich krumme Birkenstämme.
    Und darüber, ganz oben zwischen den Resten der Zinnen, sah Drulza die Schatten der Wächter. Ihre Lanzen überragten die zerfallenen Zinnenkronen.
    Drulza ließ die Efeuranken los. Nur flackerndes Fackellicht erhellte den Saal jetzt noch. An dem aus Felsquadern formierten Tisch vorbei hinkte Drulza zu ihrem Sitz. Der stand an der Stirnseite des Saales. Ein aus groben Stämmen zusammengebundener Stuhl. Er war mit Fell ausgelegt und stand auf vier pyramidenartig aufgestapelten Holzstammschichten.
    Natürlich würden die Soldaten die Gefangenen zuerst zu ihr bringen. Zu ihr, der Obermutter und Herzogin. Anders als der Herzog empfing sie ihre Leute niemals, während sie auf ihrem Lager lag. Im Laufe ihres langen, fast vierzigjährigen Lebens hatte die alte Wulfanenfrau so etwas wie Stil entwickelt. Es machte sich einfach besser, wenn Rangniedere zu einem aufschauen mussten.
    Sie stieg die drei Stufen zu ihrem Sitz empor. Ihre Hüfte schmerzte. Eine Kriegsverletzung. Vor fünf Jahren hatte der Schwarze Feind sie erwischt. Es gab Schlimmeres. Andere starben an geringfügigeren Verletzungen. Aber Drulza war fett geworden, seit sie nicht mehr richtig laufen konnte. Die vier Stufen zum Sitz hinauf strengten sie an. Ihr Atem rasselte, als sie in den Sitz sank. Sorgfältig ordnete sie ihre gelbliche Ledertoga.
    Rechts und links des Thronsitzes steckten Fackeln in der Wand. Genau wie an der Längsseite des Saales neben dem bogenförmigen Durchgang . ins Treppengewölbe.
    Das Geschrei ihrer Soldaten und das Kreischen der Taratze hallten jetzt im Inneren des Gebäudes. Drulza hörte das Rasseln der Ketten und das Scharren der Krallen auf dem Steinboden. Dazwischen immer wieder ein langgezogenes Wimmern. Einer der drei Nackthäute.
    Schließlich traten die ersten ihrer Soldaten durch den Eingang in den Saal. Drei gedrungene Burschen in schwarzbraunen, pechgetränkten Bastjacken, die ihre Körper von den Schultern bis zu den Oberschenkeln bedeckten.
    Auf ihren großen haarigen Schädeln saßen schwarze Chininhelme. Wie überdimensionale Tropfen liefen sie im Nacken spitz zu und waren rundum mit einem starken schwarzen Ledersaum besetzt.
    Die Soläaten knallten die Enden ihrer Lanzen auf den Boden, reckten die rechten Arme in die Höhe und brüllten: »Lang lebe die Obermutter!« Das lange Körperhaar des mittleren der drei Soldaten schimmerte rötlich im Fackellicht. Genau wie Drulzas Haar. Einer ihrer Söhne niederer Zeugung. Yurzek, wenn Drulza richtig sah. Die meisten Wulfanen hatten schwarzes oder dunkelbraunes Haar.
    Die drei Nackthäute taumelten in den Saal. Zwei Soldaten stießen ihnen die Lanzenschäfte in die Rücken, bis sie vor Drulzas Sitz flach auf dem ausgetretenen Steinboden lagen. Ein Mann, eine Frau und ein kleines Kind. Alle drei ziemlich ausgezehrt. Drulza konnte den Gestank ihrer Körperausscheidungen riechen. Widerlich. .
    Zuletzt zerrten sie die Taratze in den Saal hinein. Sie stemmte sich mit den Hinterläufen gegen die steinige Türschwelle. Aber einer der Soldaten rammte ihr den Stiefelabsatz auf den Schwanz, und kreischend machte sie einen Satz bis fast zum Tisch. Die Soldaten hatten ihr die Vorderpfoten in Ketten gelegt und das lange Maul mit Lederriemen zugebunden. Die Taratze fiepte jämmerlich. Drulza lief das Wasser im Schlund zusammen. Sie hatte seit Tagen nichts Vernünftiges mehr gefressen.
    Der Hauptmann der Truppe trat vor ihren Sitz und reckte den Arm mit der geballten Faust hoch. »Lang lebe die Obermutter.« Sein Haar war kraus und noch länger als das der anderen. Am ganzen Körper, sogar an Knöcheln und Knien. Und es war feuerrot. Brellzek, ebenfalls ein Sohn Drulzas. Ein Sohn edler Zeugung. Ein Sohn des Herzogs selbst.
    Im Lauf ihres langen Lebens hatte Drulza ungefähr dreizehn Söhne und neun oder zehn

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