0020 - Der Mord, der mir den Atem nahm
wußte, wie ich mich entscheiden sollte. Zunächst mußte ich mir auf jeden Fall seine Geschichte anhören. Sie konnte interessant werden, denn er war der erste, der sich zur Zeit des Mordes auch im Hause befand, ohne aber selbst in allzu enger Berührung mit dem Toten gelebt zu haben. Die beiden Frauen schienen mir nicht sehr objektiv zu sein, und am wenigsten war es Miß Tudor.
»Wie kamen Sie ins Haus?« fragte ich weiter.
»Durch die Kellertür. Jedesmal, wenn der Chef in der Nacht gebummelt hatte, rechnete Miß Tudor mit meinem Besuch am Vormittag und öffnete deshalb gleich früh nach dem Aufstehen die Kellertür. Nachts ist diese Tür natürlich verschlossen.«
»Um wieviel Uhr betraten Sie die Villa?«.
»Gegen neun. Ich brauchte nicht lange zu warten, da kam Rosabel, also Miß Tudor, herab in den Keller. Wir setzten uns in dem Raum, wo die Heizung steht, auf das alte Sofa. Sie hatte mir eine Zigarre aus der Kiste vom Chef mitgebracht, weil sie weiß, daß ich diese teuren Dinger gern rauche, aber mir selbst nicht leisten kann.«
Ich mußte unwillkürlich lächeln:
»Und diese Zigarre haben Sie da unten geraucht, und den Stummel haben Sie mit dem Fuß ausgetreten, nicht wahr?«
»Stimmt. Woher wissen Sie das? Hat es Rosabel erzählt?«
»Nein. Ich fand den Stummel.«
»Aha.«
»Was tat Miß Tudor im Keller? Ich meine, sie wird doch irgendeinen Vorwand benötigt haben, um sich im Keller auf halten zu können?«
»Ja, natürlich. Daß wir mal heiraten wollen, wußte doch der Chef nicht. Sie räumte ein bißchen im Gerümpel herum, das im Heizungskeller lag, und ich hackte inzwischen ein bißchen Holz. Danach saßen wir auf dem Sofa und schmiedeten Pläne für unsere Zukunft. Es ist eine unserer Lieblingsbeschäftigungen«, fügte er fast entschuldigend hinzu.
»Welcher Mensch tut das nicht?« entgegnete ich. »Jetzt würden, mich ein paar Kleinigkeiten interessieren, die von sehr großer Bedeutung sind. Sie dürfen nichts beantworten, wovon Sie nicht ganz sicher sind, daß es sich auch wirklich so verhält, wie Sie es sagen wollen. Nummer eins: Wie lange blieben Sie mit Miß Tudor im Heizungskeller?«
»Bis kurz nach elf. Das war schon länger, als sie sich eigentlich leisten konnte. Dann ging sie hinauf und ich durch den Garten zurück zur Straße.«
»In der ganzen Zeit waren Sie mit Miß Tudor zusammen? Keiner von Ihnen beiden hat den Keller jemals auch nur für eine Sekunde verlassen?«
»Keiner. Wir waren zusammen, bis ich ging.«
»Saßen Sie so, daß Sie den Flur beobachten konnten, der am Heizungskeller vorbeiführt?«
»Natürlich. Die Tür zum Flur hatten wir weit offenstehen. Das mußten wir schon deshalb, damit Rosabel gleich hören konnte, wenn sie oben gerufen wurde. Oder wenn jemand an der Haustür schellte.«
»Geschah das?«
»Was?«
»Wurde sie einmal gerufen oder schellte es mal an der Haustür?«
»Nein. Die ganze Zeit nicht, in der wir zusammen waren.«
»Könnten Sie sich denken, daß irgend jemand durch den Keller das Innere der Villa betreten hat, während sie mit Miß Tudor im Heizungskeller waren?«
»Nein. Das ist ganz ausgeschlossen. Ich sagte ja schon, daß wir die Tür zum Flur offenstehen hatten und mit Blickrichtung zum Flur hin saßen. Wir hätten diesen Jemand unbedingt sehen müssen.«
»Sie sind dessen ganz sicher?«
»Absolut.«
»Hm. — Wann hörten Sie den Schuß?«
»Ungefähr um halb elf. Ich wollte sofort aufspringen und nachsehen, aber Rosabel sagte, es wäre der Gärtner. Der schösse hin und wieder im Garten mit seinem Jagdgewehr nach Spatzen, weil sie ihm seine Blumen zerhackten. Wenigstens bildete er sich das ein. Er ist natürlich ein unglaublicher Fanatiker, sobald es an seine Blumen geht.«
»Sie glaubten das?«
»Halb und halb. Es kam mir seltsam vor, daß ein erwachsener Mensch mit einem Jagdgewehr auf Spatzen schießen sollte. Das kommt mir ungefähr so vor, als ob man Kanonen auf Katzen jagen wollte. Außerdem schien es mir, als ob der Knall nicht im Garten, sondern im Hause gewesen wäre. Aber Rosabel machte mir begreiflich, daß ich nicht auf einmal in der Villa auftauchen konnte, ohne daß man gefragt hätte, wo ich denn auf einmal herkäme. Und ganz ehrlich gesagt, war ich auch viel zu faul, von dem alten Sofa aufzustehen.«
Ich nickte:
»Verstehe. Wurde nach dem Schuß im Hause irgendein Lärm hörbar? Schlugen Türen, schrie jemand oder so etwas?«
»Nicht das geringste. Es blieb alles so ruhig, wie es vor dem Schuß
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