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0020 - Der Mord, der mir den Atem nahm

0020 - Der Mord, der mir den Atem nahm

Titel: 0020 - Der Mord, der mir den Atem nahm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: der mir den Atem nahm Der Mord
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müde und wirr durcheinander.
    Unsinn! sagte ich mir, nachdem mich die ersten belebenden Züge aus der Zigarette ein wenig erfrischt hatten. Was redest du dir nur für einen Nonsens ein, Jerry? Es hat nie ein perfektes Verbrechen gegeben und es wird nie eins geben, kein Mensch kann sich wie ein Fabelwesen auflösen, keiner kann irgendwo gehen, ohne die Erde zu berühren, keiner kann spurlos verschwinden. Der winzigste Anhaltspunkt bleibt doch zurück.
    Wenn man aber keinen findet? fragte mein Verstand dagegen.
    Dann habt ihr sie eben übersehen, sagte meine Vernunft. Oder ihr deutet die Sprache der stummen Dinge falsch.
    Also noch einmal, nahm ich mir vor. Zwischen neun Uhr fünfundvierzig und zehn Uhr dreißig wird…
    Punkt für Punkt überdachte ich alles. Jedes Verdachtsmoment rief ich mir in die Erinnerung zurück. Ich vergaß nichts, nicht die leiseste Kleinigkeit. Ich dachte an den Abdruck im Blumenbeet und an die verschiedenen Haare, die der Spurensicherungsdienst in der Diele gefunden hatte. Ich erinnerte mich an die Erde am Kolben des Jagdgewehres im Gärtnerhäuschen. Alles, was mir die beteiligten Personen erzählt hatten, huschte noch einmal durch die Erinnerung.
    Am Ende stand die Frage:
    Und wie ist der Täter hinausgekommen? Wie???
    Der Aschenbecher auf dem Rauchtisch neben dem Sessel, in dem ich saß, enthielt schon einen ganzen Berg von Zigarettenstummeln. Ich stand auf, zündete mir die zehnte oder zwölfte an und ging auf und ab. Zum ersten Male in meinem Leben interessierte mich der Mörder keine zehn Cents. Solange ich ihm nicht nachweisen konnte, wie er wieder hinausgekommen war, so lange war alles andere hoffnungslos.
    Draußen graute schon der Morgen, als ich es aufgeben mußte. Noch vor ein paar Stunden hatte ich großspurig geredet vom Niemals-Aufgeben. Jetzt gab mir das Schicksal den verdienten Dämpfer. Ich mußte aufgeben.
    Ich wollte gehen, aber ein letztes Mal raffte ich mich noch auf. Ich wollte noch die letzte Zigarette in meinem Päckchen rauchen und dabei vor mich hindösen. Gar nicht logisch denken, sondern nur dösen. Es war die vage Hoffnung eines Ertrinkenden, der sich in seiner Not sogar an einen schwimmenden Strohhalm klammert.
    In dem Zimmer war eine fürchterliche Luft. Ich hatte ein ganzes Päckchen hier verqualmt. Einen Augenblick zögerte ich, dann stellte ich die Verandatür weit auf, damit der Rauch abziehen konnte.
    Ich nahm den Faden ab, steckte ihn achtlos in meine Manteltasche und setzte mich wieder in den Sessel. Draußen im Garten sangen schon die ersten Vögel. Fern am Horizont färbte sich der Nachthimmel langsam hellrot.
    Meine letzte Zigarette brannte. Der Rauch stieg in einer gewundenen Linie hoch an die Decke. Ich sah ihm mit übermüdeten Augen nach.
    Wie war es doch gleich? fragte mein bohrender Verstand wieder. Da ist jemand ermordet worden, aber du weißt nicht, wie er nach der Tat von seinem Mörder verlassen wurde?
    Nein, gab ich mir selbst zur Antwort. Ich habe keine Ahnung. Vielleicht war es eben doch ein Geist, was? Unsinn, Geister gibt es nicht. Also war es ein Mensch. Ja, aber ein Mensch kann schließlich doch nicht durch Schlüssellöcher kriechen!
    Ich sprang auf und drückte die Zigarette aus. Hastig lief ich zur Wohnzimmertür. Mir stand der ganze Fall bis zum Halse. Nichts wie nach Hause und schlafen. Verdammt, ich war es leid. Ich bin kein Hellseher, ich bin nicht allwissend, und irgendwo ist dem menschlichen Verstand seine Grenze gesetzt.
    Wütend auf mich selbst, auf diesen verfluchten Teufelsfall und auf die ganze Welt riß ich die Wohnzimmertür auf und wollte in die Diele. Dieselbe Tür, durch die Debora hereingekommen war, nachdem sie den Schuß gehört hatte. Die Tür, durch die der Mörder unmöglich entkommen sein konnte.
    Ich hatte die Türklinke noch in der Hand, da fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
    »Jerry!!!« schrie ich mir selber zu.
    Und ob Sie‘s glauben oder nicht — ich führte in der Diele einen Freudentanz auf, den man nur mit total übergeschnappt bezeichnen konnte. Restlos verrückt geworden, was?
    Nein.
    Ich wußte, wie der Mörder hinausgekommen war. Ich wußte es. In dieser Sekunde fühlte ich, was das bedeuten kann: zu wissen. Zu wissen, was wahr ist.
    ***
    Ich fuhr nach Hause und legte mich schlafen. Es war schon knapp sechs, als ich ins Bett kroch, aber ich stand trotzdem um neun schon wieder auf. Unter der kalten Dusche trieb ich mir die Müdigkeit aus den Gliedern. Das eiskalte Wasser stach wie mit

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