0020 - Im Landhaus der Schrecken
erzählen gehabt hätte, so haarsträubend gewesen, daß sie mir doch kein Wort geglaubt hätten.«
»Jetzt erwarten Sie, daß man Ihnen glaubt?«
»Heute bin ich stocknüchtern.«
»Als der Mann auf dem Boden lag, wie sah er da aus? Können Sie sein Gesicht beschreiben, Mr. Stiff?«
»Es war stockdunkel. Und ich war so entsetzlich aufgeregt, wie Sie sich denken können, daß ich mich zunächst um sein Gesicht nicht gekümmert habe. Und danach ging alles verdammt schnell…«
»War der Mann groß und kräftig?«
»Ja.«
»Würden Sie seine Stimme wiedererkennen?«
»Kann schon sein. Das käme auf einen Versuch an.«
»Vielleicht kommt es schon bald dazu.«
Dade Stiff richtete seine markanten Augen auf John. »Haben Sie bereits einen Verdacht.«
»Sagen wir, dank Ihrer Aussage gibt es in diesem Fall einen neuen Gesichtspunkt. Ich werde die Ereignisse und die damit unmittelbar in Verbindung stehenden Personen unter diesem Aspekt noch einmal überprüfen. Wo wohnen Sie, Mr. Stiff?«
Dade Stiff gab dem Oberinspektor seine Adresse. John schrieb sie auf, erhob sich und reichte dem Mann mit einem freundlichen Lächeln die Hand.
»Ich danke Ihnen, daß Sie gekommen sind, Mr. Stiff.«
»Ich werde keine Schwierigkeiten haben? Immerhin war ich betrunken mit meinem Wagen unterwegs.«
»Ich denke, daß ich in diesem Fall ausnahmsweise ein Auge zudrücken kann. Sie werden so etwas hoffentlich nicht wieder tun.«
»Bestimmt nicht.«
»Dann vergessen wir’s.«
Dade Stiff atmete erleichtert auf. »Wenn Sie mich brauchen, Oberinspektor, ich bin immer für Sie da.«
»Vielen Dank«, nickte John, und Dade Stiff ging.
***
Zu Mittag aßen John und Suko in einem kleinen Restaurant in der Nähe von Scotland Yard. Auf großen Tellern lagen riesige Portionen. Sowohl John als auch Suko waren gute Esser, aber vor dieser lukullischen Fülle hätten sie beinahe kapitulieren müssen. Sukos Besuch bei den Warringtons hatte so gut wie nichts ergeben. Auf seiner Namensliste standen nur noch Jerry und Georgina Mingoon.
John sagte abwinkend: »Die können wir uns sparen.«
»Soll ich die Reihe nicht mehr vollständig machen?«
John schüttelte den Kopf. »Es scheint so, als wäre Jacqueline Flagg von einem der Partygäste ermordet worden. Überprüfe, wer sich zur Tatzeit nicht in Oscar Nolans Haus aufgehalten hat. Wenn dir das gelingt, haben wir den lange gesuchten Mörder.«
Ein unscheinbarer Mann durchquerte das Restaurant und steuerte geradewegs auf John Sinclairs Tisch zu.
»Tag, John. Hallo, Suko. Darf ich mich zu euch setzen?«
John machte eine einladende Handbewegung. Jody Bellmoore nahm Platz. Er wandte sich an den Geisterjäger. »Ihre Sekretärin hat mir gesagt, daß ich Sie hier finden kann. Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel…«
John lächelte. »Weshalb denn? Wir sind mit dem Essen fertig. Sie stören also nicht.«
»Nett, daß Sie das sagen, John.« Bellmoore war gleichfalls Gast in Nolans Haus gewesen. Er war den Leuten mit seinem Fotoapparat und dem ewigen Elektronengeblitze auf die Nerven gegangen. »Suchen Sie den Kerl immer noch, Oberinspektor?«
»Ja. Aber wie es aussieht, kommen wir endlich aus den Startlöchern. Wurde auch langsam Zeit.«
»Vielleicht habe ich einen ziemlich brauchbaren Hinweis für Sie.«
»Lassen Sie hören.«
»Sie kennen mein Hobby. Ich fotografiere leidenschaftlich gern. Vor meiner Kamera ist keiner sicher. Manche Leute behaupten, das wäre schon kein Hobby mehr, sondern bereits ein Laster.« Jody Bellmoore zuckte gleichmütig mit den Achseln. »Wer frei von Fehl, der werfe den ersten Stein, nicht – wahr?«
John nickte. »Was ist mit dem Hinweis?«
»Sie erinnern sich, daß ich in Nolans Haus eine Menge Aufnahmen gemacht habe.«
»Allerdings.«
»Darf ich Ihnen ein paar dieser Fotos zeigen?«
John warf Suko einen kurzen Blick zu und sagte dann zu Bellmoore: »Okay.«
Der Hobbyfotograf zückte seine mit Fotografien prallgefüllte Brieftasche. Er breitete die Aufnahmen vor John und Suko aus. Es waren Farbbilder, und Bellmoore vergaß nicht zu erwähnen, daß er die Filme selbst entwickelt hatte.
»Und jetzt sehen Sie sich mal die Aufnahmen an«, bat Bellmoore. »Wenn einer so lange fotografiert wie ich, dann verpatzt er kaum noch ein Bild. Die Sache wird so sehr zur Routine, daß ich selbst mit geschlossenen Augen noch die besten Fotos machen könnte.«
John sah sich auf den Fotos. Neben ihm stand Suko. Dahinter lächelten Sheila und Bill Conolly in die
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