0026 - Die Braut des Henkers
musste der jeweilige Dorfgeistliche in der Kirche die schlimme Entdeckung machen, dass das Beil von seinem Platz verschwunden war.
Und immer wieder tauchte es nach einer Nacht blutbeschmiert wieder auf. Kurz darauf wurde dann auch eine enthauptete Leiche am Strand gefunden.
Erstaunlich fand Zamorra nur, dass das Dorf immer noch bestand.
Und weitere Fragen brachten ihm dann die Erklärung.
Die Toten stammten ausnahmslos aus Familien, die recht umfangreich waren. So konnte es nie geschehen, dass der Name der jeweilig betroffenen Familie ausstarb.
Zamorra vermutete dahinter ein gewisses System.
Seine Nachforschungen bei David Cornell ergaben, dass die weibliche Geisterscheinung ziemlich jung sein musste und ausnehmend hübsch war. Angetroffen wurde sie immer am Strand unterhalb der letzten Fischerhäuser. Also musste sie auch von dorther kommen.
Da die alten Kirchenbücher noch existierten, konnte Zamorra auch in Erfahrung bringen, was damals im siebzehnten Jahrhundert zur Zeit der Hexenverfolgungen in Coryhead passiert war. Genaue Schilderungen fand er zwar nicht, doch als Kenner der Materie konnte er sich aus den Daten einiges zusammenreimen.
Danach war Ophelia Killaern, das Mädchen, dessen Bräutigam, der Hexenhenker von Coryhead, am Hochzeitstag von den Dorfbewohnern gelyncht worden war, spurlos verschwunden.
Man hatte damals angenommen, sie wäre ins Wasser gegangen und in der irischen See ertrunken.
Auch hörte Zamorra aus den Erzählungen des Priesters, dass es in den Legenden hieß, Ophelia hätte damals noch einen Fluch ausgestoßen. Die Ereignisse in den darauf folgenden Jahrhunderten ließen das vermuten.
Doch wie es sich wirklich mit dem Spuk verhielt, dass konnte er natürlich nicht kombinieren.
Ihm war klar, dass es nur einen Weg zur Lösung gab – er musste selbst diesen Spuk heraufbeschwören und versuchen, auf diese Weise Näheres zu erfahren.
Daher war er in die Kirche des Ortes gegangen, hatte das Henkerbeil von der Wand genommen, etwas, das vor ihm kein Dorfbewohner geschafft hatte, weil das Beil wahrscheinlich verhext war, und schleppte es nun hinunter zum Strand, wo er hoffte, dass Ophelia ihm erscheinen würde.
Es herrschte bereits finstere Nacht.
Ein scharfer Wind war aufgekommen, und Nicole hatte Pullover und vor allem Zamorras Amulett aus dem Hotel geholt.
Ab und zu stahl sich ein bleicher Lichtstrahl des Mondes durch die jagenden Wolkenfetzen.
Nicole zitterte, doch nicht nur vor Kälte. Sie, die sie ja kaum Erfahrung mit den Mächten des Bösen hatte, empfand die Szene als gespenstisch und unwirklich.
Nur ihr Chef wusste genau, worauf er sich einließ. Er war fest davon überzeugt, das Rätsel um die Braut des Hexenhenkers zu lösen.
Denn er war einer der wenigen, die berufen waren, die Welt vor Dämonen und Teufel zu beschützen. Zu lange schon ächzte das Dorf unter der Knechtschaft eines Fluches.
Heute Nacht musste Zamorra Erfolg beschieden sein!
Das Dorf lag wie ausgestorben. Die Menschen, die mit dem Schrecken leben mussten, waren bereits zu Bett gegangen. Es schien, dass Zamorra und Nicole die Einzigen waren, die die Straßen bevölkerten.
Die dunkle Gestalt, die lautlos hinter ihnen herschlich und sie genau beobachtete, bemerkten sie nicht. Zu sehr konzentrierten sie sich auf ihr Vorhaben, das auch ihnen zum Schicksal werden könnte.
Es war Richard, der die beiden Fremden, Professor Zamorra und seine Assistentin, verfolgte. Ein dämonisches Feuer glühte in seinen Augen. Er grinste leise.
Wie lange er schon in diesem Dorf lebte, wusste er nicht mehr zu sagen. Ihn umgab ein Geheimnis, das niemand zu deuten wusste und über das nur er selbst etwas hätte verraten können.
Er hatte Fähigkeiten, die ihm erlaubten, über alles auf dem Laufenden zu sein, was in Coryhead vorging. Und nicht nur die Gegenwart erschloss sich ihm, auch die Vergangenheit des Dorfes lag wie ein offenes Buch vor ihm. Denn in ihm schlummerte das gesammelte Wissen seiner Vorfahren, von denen er auch seine geheimnisvolle Begabung geerbt hatte. Er war der böse Geist des Dorfes. Vor ihm wichen alle zurück, wenn er sich ihnen näherte.
Und doch duldeten sie ihn in ihrer Mitte, zollten ihm Achtung wie jedem anderen Mitbürger auch.
Und wenn wieder einmal ein Toter am Strand gefunden wurde, erfüllte ihn das mit unbändiger Freunde. Denn er war ein Kind des Satans. Und ihm diente er mit jeder Faser seines sterblichen Leibes.
Sein Geist war unsterblich und gab ihm Kraft, die ihn jedem anderen
Weitere Kostenlose Bücher