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0026 - Die Braut des Henkers

0026 - Die Braut des Henkers

Titel: 0026 - Die Braut des Henkers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kubiak
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McPeters schaute den Professor lauernd an. »Sind Sie von der Zeitung? Wollen Sie mit meinem Bericht ein Geschäft machen? Sie wären nicht der Erste. Warum sind Sie so neugierig?«
    Zamorra winkte ab. Dann erklärte er in so knappen Worten wie möglich, warum er sich mit dem unheimlichen Vorfall in Coryhead beschäftigte. McPeters war zwar immer noch skeptisch, doch schien er endlich bereit zu sein, bei der Aufklärung mitzuhelfen.
    »Wissen Sie, Professor, der Tod meines Brian ist zwar eine traurige Sache, doch habe ich damit gerechnet. In unserer Familie ist das eben so. In jeder Generation verschwindet einer von uns und wird dann tot aufgefunden. Meinem Sohn muss das Gleiche geschehen sein. Als er hinausfuhr auf die See, hatte ich so eine Ahnung, als hätte ich ihn das letzte Mal lebend gesehen. Ich bin dann so oft in die Kirche gelaufen und habe nachgeschaut, ob das Henkerbeil noch dahängt. Es war verschwunden. Also war für mich alles klar. Was sollte ich machen? Dem Schicksal kann man nicht entrinnen. Und über diesem Dorf liegt ein Fluch. Wir alle haben große Schuld auf uns geladen. Und jetzt müssen wir eben darunter leiden. Es ist Gottes Fügung.«
    Zamorra musste das Gehörte erst einmal verdauen. Er nippte an seinem Whiskyglas.
    »Dann gibt es also doch dieses Henkerbeil. Father David, der Geistliche hier, leugnete es nämlich. Auch scheint es für ihn diese Geistererscheinung nicht zu geben. Und gibt es sie wirklich?«
    Titus McPeters nickte voller Überzeugung. »Natürlich gibt es sie. Ich erzähle am besten der Reihe nach. In dieser Gegend wurden im siebzehnten Jahrhundert Hexen verfolgt, wie es auch in ganz England damals der Fall war. Nur muss es hier etwas anders ausgesehen haben. Hier erschien immer ein Henker mit Kapuze und Henkerbeil und richtete die Frauen hin, von denen man sagte, dass sie Hexen wären. Was beim Lesen der alten Aufzeichnungen auffällt, ist die Tatsache, dass es nie einen Richter gegeben hat, der die Hexen schuldig sprach. Immer kam der Henker, und schon lange vorher schien jeder im Dorf genau zu wissen, was bevorstand. Man errichtete einen Scheiterhaufen, zerrte das arme Opfer hinaus und stellte sie darauf. Dann wartete man auf den Henker, von dem man genau wusste, dass er kommen würde. Und er kam auch immer. Niemand wusste, woher er kam und wer er war. Nun musste damals einer meiner Vorfahren, ein McPeters genau wie ich, den Henker nach einer solchen Tat verfolgt haben. Jedenfalls stellte sich heraus, dass es sich um einen angesehenen und geehrten Bürger unseres Dorfes handelte. Er wollte am nächsten Tag die Tochter eines reichen Kaufmannes, Ophelia Killaern, heiraten. Mein Vorfahr muss damals gewartet haben, um dem Brautpaar die Wahrheit zu verkünden. Die Menschen, die einerseits den Henker fürchteten wie den Tod, andererseits seine Ankunft immer mit Freude begrüßt hatten, wenn es darum ging, eine Unschuldige als Hexe zu vernichten, stürzten sich auf den Mann und lynchten ihn. Die Braut soll damals, ewige Rache geschworen haben. Die alten Erzählungen besagen, dass der Mann, der auch als Henker auftrat, besessen gewesen sein muss. Es wäre nicht seine Schuld, dass er eine solche Schuld auf sich geladen hätte. Doch die Wahrheit wird wohl für immer und ewig versunken sein. Denn über diese Zeit gibt es nur mangelhafte Aufzeichnungen, und vieles ist lediglich durch mündliche Überlieferung erhalten geblieben. Also, Sir, dies ist alles, was ich dazu sagen kann. Nur vielleicht noch, dass auch andere im Dorf von diesem Fluch heimgesucht worden sind. Aber ein McPeters war immer dabei. Meine Frau ist schon lange tot. Sie konnte dieses Leben in ewiger Angst nicht ertragen. Sie hat ausgelitten. Wir müssen mit der Vergangenheit leben.«
    Zamorra hatte noch einige Fragen.
    »Wie wird denn der alte Fluch erfüllt? Was ist mit dieser Ophelia? Ein Skipper erzählte mir davon auf dem Weg von Liverpool hierher.«
    »Ach ja, die wilde Ophelia. Die Braut des Hexenhenkers hatte so geheißen. Und einige Leute glauben, sie nachts unten am Strand gesehen zu haben. Sie soll immer das Henkerbeil bei sich haben, mit dem die armen Menschen hingerichtet werden. Doch das halte ich für Humbug. Ich kann es einfach nicht glauben, auch wenn der Tod meines Sohnes mich eines anderen hätte belehren sollen.«
    Zamorra glaubte auch, dass es etwas mit der Erscheinung auf sich haben musste. Die Reaktion des Priesters ließ den Schluss naheliegen. Außerdem die Tatsache, dass die Toten immer

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