0027 - Wir fingen den roten Delphin
Minuten zu gehen, um an Miß Trancers Häuschen zu gelangen. Dort klingelte ich und wartete.
Nach kurzer Zeit öffnete mir die Lehrerin. Sie sah merkwürdig verstört aus, als sei sie von mir bei irgend etwas Unerlaubtem überrascht worden. Aber vielleicht redete ich mir das nur ein. Wenn man auf der Fährte eines Mörders ist, dessen Gesicht man noch nicht kennt, begegnet man zunächst einmal jedem mit Mißtrauen. Zuviel Mißtrauen aber kann einem manchmal Dinge vorgaukeln, die in Wahrheit gar nicht so sind, wie man sie zu sehen glaubt.
»Bitte?« fragte Miß Trancer mit ihrer etwas zu lauten Stimme.
»Mein Name ist Cotton«, sagte ich und spielte die Rolle weiter, die mir Phil nun einmal zudiktiert hatte. »Ich war mit Miß Martens befreundet…«
»Oh!« rief Miß Trancer mitfühlend und musterte mich mit einem wehmütigen Blick. Dann besann sie sich auf die Pflichten der Höflichkeit und sagte: »Kommen Sie doch herein, Mr. Cotton!«
»Danke.«
Ich folgte ihr in das geräumige Wohnzimmer ihres Bungalows, das sich in der Einrichtung nicht sehr von unserem unterschied. Miß Trancer trat hastig an den Schreibtisch heran und nahm etwas auf, was sie blitzschnell unter der Schreibunterlage verschwinden ließ. Dann wandte sie sich wieder mir zu. Ihr Gesicht war auf eine seltsame, fast hektische Art gerötet.
Was hat dieses ältliche Fräulein zu verstecken? fragte ich mich. Aber ich hütete mich natürlich, diesen Gedanken auszusprechen.
Sie bot mir einen Platz an, und wir setzten uns.
»Sie waren also mit Miß Martens befreundet«, begann sie. »Ich möchte Ihnen sagen, daß ich mit Ihnen fühle. Miß Martens war ein sehr feiner Mensch. Sie haben vielleicht in der Bar schon den unglücklichen Geistesgestörten gesehen, der sich immer in der Gesellschaft seiner beiden anderen Brüder befindet. Miß Martens war der einzige Hotelgast, der sich dieses Unglücklichen annahm. Sie muß eine gute Frau gewesen sein, denn sie hatte die Kraft, das zu tun. Ich verstehe nicht, warum man sie umgebracht hat.«
»Ich verstehe es auch nicht«, sagte ich. »Aber ich möchte, daß der Mörder gefunden wird. Es ist das einzige, was wir für Miß Martens tun können.«
Die Lehrerin nickte zustimmend. Trotzdem schien es mir, als werde sie von einer quälenden Unruhe beherrscht. Warum gerade jetzt? Wußte sie mehr über den Tod der FBI-Beamtin, als sie zugeben wollte?
»Miß Trancer«, fing ich vorsichtig an, »Sie wohnen in einem Bungalow, der direkt neben dem von Miß Martens liegt. Der Abstand dazwischen beträgt nur etwa 20 Meter. Wenn irgend jemand etwas beobachtet oder gehört haben kann, dann müßten Sie es eigentlich sein. Wie war es am Sonntag abend? Am Abend, bevor Miß Martens ermordet wurde? Waren Sie an diesem Abend hier? Oder waren Sie ausgegangen?«
»Ich war ausgegangen. Gegen Mitternacht kam ich zurück. Ich habe mich gleich zu Bett gelegt. Es widerspricht meinen Grundsätzen, später als um zwölf Uhr zu Bett zu gehen.«
»Und Sie haben nichts, aber auch gar nichts beobachtet, was uns weiterhelfen könnte? Nichts gesehen? Nichts gehört?«
Sie schüttelte zuerst den Kopf, hielt aber plötzlich inne und rief: »Halt! Natürlich! Drüben bei Miß Martens lachte ein Mann. Ich glaube, es war ein paar Minuten vor Mitternacht, als ich das Lachen hörte.«
»Was für ein Lachen war es? Hell oder dunkel? Schallend, dröhnend, polternd? Wie würden Sie es charakterisieren?«
»Ich würde sagen, es war ein ganz gewöhnliches Männerlachen. Weder zu laut noch in irgendeiner Art besonders charakteristisch. So, wie man eben über einen Scherz in einem Gespräch lacht.«
»Außer diesem Lachen war nichts weiter?«
»Nein.«
»Gut. Ich danke Ihnen. Vielleicht muß ich Sie noch einmal aufsuchen…«
»Ich stehe Ihnen immer zur Verfügung. Es ist unser aller Pflicht, bei der Aufklärug eines so brutalen Verbrechens nach besten Kräften zu helfen. Auf Wiedersehen, Mr. Cotton!«
Ich stand draußen und sah nachdenklich auf den bunten Kies unter meinen Füßen. Was für eine Farbe hatte eigentlich der Kies, der im Bungalow der Toten von der Mordkommission gefunden worden war?
***
Verabredungsgemäß suchte ich die Bar im Hauptgebäude des Hotels auf. Bei meinem Eintritt sah ich Phil mit der Privatsekretärin des Theaterbesitzers an der Bartheke sitzen. Sie waren in ein lebhaftes Gespräch vertieft.
Phil hatte also schon seine Fühler ausgestreckt. Um so besser! Ich wollte ihm nicht dazwischenplatzen und das Gespräch
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