0028 - Insel der Seelenlosen
Ordnung und setzte erst dann seinen Weg fort.
Plötzlich stutzte er. Vor ihm lag eine Maurerkelle auf dem Boden. Feuchter Mörtel glänzte noch darauf. Suko machte sich sofort den richtigen Reim darauf.
Rasch hob er die Kelle auf. Er blickte sich um. Irgendwo müßten eigentlich Maurerspuren zu entdecken sein. Dort! Die Friedhofsmauer wies mehrere Nischen auf, und eine dieser Nischen, in die gerade ein aufrecht stehender Mann paßte, war zugemauert worden.
Suko rannte auf die neue Mauer zu.
Er war davon überzeugt, daß sich John Sinclair dahinter befand. Tot oder lebendig? Diese Frage quälte den Chinesen im Moment. Beunruhigt erreichte er die Mauer.
Er hoffte, noch nicht zu spät dran zu sein, und er ärgerte sich darüber, daß er eine volle Stunde nutzlos in der Hotelbar herumgelungert hatte, während John hier seiner Hilfe dringend bedurft hatte.
Suko schleuderte die Kelle auf den Boden. Er griff in die Hosentasche und brachte sein Springmesser zum Vorschein. Atemlos stieß er die Klinge in den noch weichen Mörtel.
Er kratzte das schlammige graue Zeug aus der Ritze heraus, hob den Ziegel an, riß ihn aus der Mauer. Mit dem zweiten Ziegel hatte er schon weniger Schwierigkeiten. Nachdem er den dritten Ziegel entfernt hatte, rief er: »John!«
»Ja!« kam es dünn zurück.
Sukos Herz schlug hoch oben im Hals. Er arbeitete, so schnell es ihm möglich war. Bald lagen eine Menge Ziegel vor der Mauer. Suko sah Johns schweißbedecktes Gesicht und atmete erleichtert auf.
»Da kann ich nur sagen: dem Himmel sei Dank«, ächzte der Hüne und trug die Mauer noch weiter ab…
***
Sukos Messer durchschnitt meine Fesseln. Ich blickte meinen Freund und Kampfgefährten erleichtert an und wollte wissen, woher er gewußt hatte, daß ich auf diesem Friedhof mein Ende finden sollte.
Er erzählte mir von Paul Lindsay, was mit dem geschehen war und was dieser ihm gesagt hatte. Ich wischte mir den Schweiß vom Gesicht und berichtete meinem Freund anschließend, was ich inzwischen erlebt und in Erfahrung gebracht hatte. »Dann kaufen wir uns jetzt die verfluchte Hexe!« stieß der Chinese mit funkelnden Augen hervor.
Doch ich schüttelte den Kopf.
»Warum nicht?« fragte mich Suko irritiert. »Sie hat dir doch verraten, wo sie wohnt. Du hast doch nicht etwa die Absicht, sie zu verschonen, nach alledem, was sie dir angetan hat.«
»Keine Sorge, die kriegt, was ihr zusteht«, knurrte ich. »Aber zuerst müssen wir uns um Jane kümmern. Sie wird in Roxanos Wohnung gefangen gehalten.«
Wir verließen den Friedhof.
Ich merkte, daß ich etwas wackelig auf den Beinen war, aber aus Erfahrung wußte ich, daß sich das bald wieder geben würde. Ich bin nicht zimperlich. Ich kann einiges vertragen. Und wenn es um das Leben von Jane geht, wachse ich geradezu über mich hinaus.
Suko startete seine Harley Davidson.
Ich setzte mich hinten drauf. Er ließ die Maschine abzischen, und wenn ich mich nicht so gut an ihm festgehalten hätte, hätte er mich bei diesem Blitzstart wahrscheinlich verloren.
Dasselbe Bild bot sich mir noch mal. Wieder lag der ewige Friede auf Roxanos Grundstück, und die Fensterläden waren geschlossen. Roxano wollte der Welt weismachen, daß er nicht daheim war.
Da Maeve gesagt hatte, Jane Collins würde sich in seinem Haus befinden, vergaß ich, daß ich eigentlich nicht das Recht hatte, mir gewaltsam Einlaß zu verschaffen.
Außerdem ging es in diesem Fall um ein höheres Rechtsgut als Eigentum. Ein Leben stand auf dem Spiel.
Suko und ich konnten nur hoffen, daß der Kerl Janes Seele noch nicht verkauft hatte. Wir überkletterten das Gittertor und eilten auf das große Haus zu. Ich fand einen Fensterladen, der schlecht schloß. Ich hob ihn leicht an, und es gelang mir, ihn zu öffnen.
Den Rest machte Suko mit seinem Messer.
Er kitzelte den Riegel hoch und wir konnten in das friedliche Gebäude des Mr. Roxano einsteigen. Der Bursche war mit Dämonen im Bunde. Er machte hundsgemeine Geschäfte mit ihnen.
Deshalb gingen wir gegen ihn so vor, wie es in dieser kritischen Lage angeraten war. Schließlich brauchten wir einen durchschlagenden Erfolg, wenn wir Jane Collins noch retten wollten.
Und Jill Grabowski?
Bestand für sie noch irgendeine Hoffnung?
Wir standen in der großen Halle. Suko flüsterte mir zu: »Ich schlage vor, wir trennen uns. Getrennt marschieren, vereint zuschlagen.«
»Okay«, nickte ich.
»Ich nehme mir den Keller vor.«
»Und ich das Obergeschoß. Das Erdgeschoß sehen wir uns
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