0028 - Insel der Seelenlosen
den Vulkanteufel von Hawaii [3] und entsann mich des Ärgers, den ich mit dem Mörder mit dem Januskopf gehabt hatte. [4]
Unzählige Bilder schossen an meinem geistigen Auge vorbei, und mir fiel ein, daß vor den Augen Ertrinkender das ganze Leben noch einmal blitzschnell abrollt. Überlebende haben das berichtet.
War das etwa nicht nur bei Ertrinkenden so?
War auch mein Ende bereits nahe?
***
Suko nuckelte an seinem Drink. Er blickte auf seine Uhr. Seit einer Stunde saß er nun schon in der Hotelbar. John war immer noch nicht aufgekreuzt. Allmählich wurde mein Freund unruhig. Er drehte das Glas zwischen seinen mächtigen Pranken hin und her.
Über seiner Nasenwurzel kerbte sich eine V-Falte in die glatte Stirn.
Paul Lindsays Worte fielen ihm wieder ein: »Sinclair wird ein schreckliches Ende nehmen. In Aberystwyth. Auf dem alten Friedhof der aufgelassenen Abtei. Es ist alles schon für seine Vernichtung vorbereitet…«
Mit einem Schluck leerte der Chinese sein Glas. Vielleicht befand sich John bereits auf diesem alten Friedhof. Suko erhob sich. Er hatte ein unangenehmes Prickeln im Nacken.
Der Keeper im weißen Dinnerjackett warf dem Hünen einen kurzen Blick zu. Suko legte das Geld für den Whisky auf den Tresen und winkte den dunkelhaarigen, schlanken Mann näher an sich heran.
»Sir?« sagte der Keeper und wollte Suko das Wechselgeld geben.
Der Chinese schüttelte den Kopf. »Lassen Sie nur, das stimmt so.«
»Vielen Dank, Sir.«
»Könnte ich wohl von Ihnen eine Auskunft bekommen?«
»gewiß, Sir. Jede.«
»Zur alten Abtei. Wie muß ich da fahren?« erkundigte sich Suko.
Der Mann beschrieb ihm den Weg. Suko bedankte sich und verließ die Hotelbar. Ein klapperdürrer Bursche blickte dem Hünen neidvoll nach. So breite Schultern hätte er auch gern gehabt.
Der Chinese setzte sich auf seine Harley Davidson und fuhr genauso, wie es ihm der Keeper gesagt hatte. Er brauchte nicht länger als sieben Minuten bis zur Abtei.
***
Ich stemmte mich verbissen gegen die Mauer. Ich drückte mit aller Kraft dagegen. Der Schweiß rann mir in salzigen Bächen übers Gesicht. Es wurde heiß und stickig in meinem engen, schwarzen Gefängnis.
Ich fragte mich, wieviel Sauerstoff sich hier drinnen befand. Für wie viele Stunden würde die Luft reichen? Wann würde sie knapp werden? Wann würde mich der Stickstoff, den ich mit jedem Atemzug ausstieß, ganz langsam umbringen?
Meine Knie schmerzten höllisch, doch ich gab nicht nach. Mit aller Kraft stemmte ich mich gegen die von der Hexe errichtete Mauer. Vergeblich.
Ich mußte aufgeben. Keuchend entspannte ich mich – und dieses Keuchen stahl mir den Sauerstoff noch schneller. Eigentlich brachte ich mich selbst um. So paradox das auch klingen mag, war es so. Mein eigener Körper tötete mich, indem er der Luft den lebensnotwendigen Sauerstoff entzog und ihn in meinen Lungen zu Stickstoff umwandelte…
Ich hatte mir schon einige Male die Frage gestellt, wie ich wohl eines Tages enden würde, und mir waren zu diesem wenig erfreulichen Thema die seltsamsten Ideen gekommen, daß ich aber einmal auf diese grausame Weise umkommen sollte, das war mir niemals in den Sinn gekommen.
Ächzend versuchte ich, meine Hände freizubekommen. Der Strick scheuerte meine Handgelenke auf. Ich bemerkte, daß ich zu bluten begann. Aber der Strick war dermaßen widerstandsfähig, daß er mir die Knochen durchgesägt hätte, wenn ich weitergemacht hätte.
Blieb mir wirklich nur noch die Resignation?
***
Suko blickte sich suchend um. Er umrundete die Ruine der alten Abtei und gelangte auf den kleinen Friedhof, der sich hinter ihr erstreckte.
Dort gab es schräg im Erdreich steckende Grabkreuze, verwahrloste Gräber, umgeworfene und verwitterte Grabsteine – aber weit und breit kein Lebewesen. Hier sollte John Sinclair sterben.
Auf welche Weise? fragte sich der Chinese. Alles sollte für Johns Ende bereits vorbereitet sein. Suko begann, Spuren dieser Vorbereitungen zu suchen. Jede Gruft nahm er in Augenschein. Nicht nur von außen, denn Suko war ein gründlicher Mann. Er sah sich auch im Gruftinnern genau um, ehe er seinen Weg über den Friedhof fortsetzte.
Während der ganzen Zeit war er auf der Hut.
Der Friedhof konnte bewacht sein. Ein Angriff erschien dem Chinesen deshalb nicht ausgeschlossen.
Der Wind fauchte ihm ins Pfannkuchengesicht und zerzauste sein schütteres schwarzes Haar, als er aus der dritten Gruft trat. Der Hüne brachte seine Frisur mit den Fingern wieder in
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