0029 - Die Rückkehr des Rächers
einen Knopfdruck fuhr eine gutbestückte Bar aus der holzgetäfelten Wand. Naida nahm eine Flasche, öffnete sie und trank den Whisky in langen, durstigen Zügen. Er war zwar Mohammedaner, doch Alkohol hatte ihm schon immer geschmeckt.
Als er die Flasche wieder wegstellte, bemerkte er, daß seine Hände zitterten. Mit einer Konkurrenzbande wäre er fertig geworden, aber gegen lebende Tote zu kämpfen, war doch eine andere Sache.
Naida wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. Aber er ahnte, daß der Sensenmann bereits seine knöcherne Hand nach ihm ausstreckte…
***
Der Chauffeur war pünktlich. Gamal saß neben ihm. Er hatte sich in Schale geworfen, trug ein weißes Smokingjackett, eine schwarze Hose und eine schwarze Samtschleife. Bill und ich kamen uns in unseren hellen Anzügen fehl am Platze vor. Aber wer konnte schon ahnen, daß wir uns in Nachtclubs herumtreiben würden?
»Läßt man uns eigentlich in diesem Aufzug in den Schuppen rein?« fragte Bill.
»Ich bin ja bei Ihnen«, meinte Gamal.
»Aha.«
Der Wagen rollte an. Die Dämmerung hatte eingesetzt, warf ihre blauschwarzen Schatten in die Straßen und sorgte dafür, daß die Lichter angezündet wurden.
Kairo bei Nacht war ebenfalls ein Erlebnis. Die Straßen schienen noch voller zu sein, die bunten Farbkaskaden der Leuchtstoffreklamen zuckten über das Pflaster und veränderten die Gesichtsfarbe der Spaziergänger von einer Sekunde zur anderen.
»Wie heißt eigentlich das Lokal?« fragte ich.
Achmed Gamal wandte den Kopf. »Übersetzt ungefähr Schloß der tausend Freuden.«
»Sehr blumenreich.«
Der Oberst verzog die schmalen Lippen. »Denken Sie immer daran, Gentlemen, wir sind im Orient. Was Ihnen bald geboten wird, erinnert an einen Traum aus Tausendundeiner Nacht.«
»Hoffentlich wird es zu keinem Alptraum«, murmelte Bill.
Wie schon die Klinik, so lag auch das Nachtlokal innerhalb eines parkähnlichen Geländes. Der Parkplatz befand sich unter hohen Bäumen, zwischen deren Ästen Scheinwerfer installiert waren. Sie leuchteten die Parkfläche aus.
Zur Hälfte war der Platz gefüllt. Die Wagen gehörten fast alle zur Spitzenklasse.
Große Mercedes-Modelle herrschten vor.
Um unseren Wagen kümmerte sich kein Parkplatzwächter, sondern Gamals Chauffeur. Wir schritten inzwischen auf den Eingang des Lokals zu. Das Gebäude schien wirklich aus einem orientalischen Märchen zu stammen. Der Architekt hatte die maurische Bauweise phantastisch mit moderner Glaskonstruktion kombiniert. Rundbögen, Laubengänge, wasserspeiende Nixen, Grünflächen innerhalb des Gebäudes, Blumenbänke und kleine, versteckte Nischen verwandelten das Lokal in ein Paradies.
Ich hatte so etwas noch nicht gesehen und zeigte mich sehr beeindruckt. Empfangen wurden wir von einem schmalhüftigen Mann, der sich devot verbeugte und Achmed Gamal mit Namen begrüßte. Unser Oberst war also auch hier bekannt. Gamal fragte uns. »Wo wollen Sie zuerst hin? Sie können etwas trinken, ein Bad nehmen oder ein Spielchen wagen. Es gibt auch phantastische Live-Shows…«
»Am liebsten wäre mir die Bar«, sagte ich. Meistens war es so, daß man von der Bar aus sehr schnell die Räume des Chefs erreichen konnte. Ich wettete, daß es sich hier ebenso verhielt.
»Wie Sie wünschen, Mr. Sinclair.«
Leise Musik empfing uns, als wir die Bar betraten. Messing und Chrom reflektierten das Scheinwerferlicht. Die Bar war kreisrund und stand mitten im Raum. An der Decke drehten sich funkelnde Lampen.
Gemischtes – man konnte auch sagen, internationales – Publikum bevölkerte die Bar. Europäer, Araber, Südländer waren friedlich vereint und schlürften ihre Drinks. Halblaut wurden die Gespräche geführt. Die vier Mixer in den Rund verstanden ihr Handwerk. Ihre Blicke waren überall. Als ich mir eine Zigarette zwischen die Lippen steckte, flammte sofort ein Feuerzeug auf. Ich bedankte mich mit einem Kopfnicken und schaute mich noch einmal um. Nicht nur die Bar sagte mir zu, auch die Mädchen gefielen mir. Rassige Geschöpfe, jung, meist dunkelhaarig und glutäugig. Es waren keine aufdringlichen Animiermiezen, wie sie in den Londoner Striplokalen herumhängen, sondern dezent geschminkte Wesen, die durch ihren Charme und ihre Zurückhaltung die Aufmerksamkeit auf sich zogen. Man spürte, daß hinter dem Betrieb eine straffe Organisation steckte.
Ich sah aber auch die Männer, die sich unauffällig an den strategisch wichtigsten Stellen des Lokals verteilt hatten. Diese Knaben – sie
Weitere Kostenlose Bücher