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003 - Der Totentanz

003 - Der Totentanz

Titel: 003 - Der Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alphonse Brutsche
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zu sehen.
    »Da drüben ist, glaube ich, die Küche und daneben das Schlafzimmer«, sagte Paul. »Aber das Wohnzimmer und ein anderes Zimmer gehen auf einen kleinen Innenhof. Da könnten wir ja auch mal nachsehen, wenn wir schon hier sind.«
    Brigitte stimmte zu. Sie gingen durch den Hausflur und eine Glastür auf den kleinen Hof. Als sie zu den drei Fenstern der ersten Etage hinaufblickten, bemerkte Brigitte eine Gestalt.
    »Da ist jemand!« sagte sie und ergriff den Arm ihres Begleiters.
    »Wo denn?« fragte Paul überrascht.
    »Dort! Sehen Sie doch … das mittlere Fenster.«
    Brigitte wies hinauf. Paul Canauff glaubte nun auch, hinter der Scheibe eine regungslose Gestalt mit bleichem Gesicht zu erkennen. Doch gleich darauf war sie verschwunden. Paul hatte plötzlich ein merkwürdiges Gefühl.
    »Haben Sie es gesehen?« fragte Brigitte. »Es waren zwei Gestalten. Sind Sie sicher, dass es sich um die Fenster von Pierres Wohnung handelt?«
    »Ja, ganz bestimmt«, erwiderte Paul nervös.
    Er fuhr sich mit der Hand über den kahlen, gebräunten Schädel.
    »Das Gesicht war, glaube ich, das einer Frau. Merkwürdig … Ich hatte den Eindruck, dass …« Sie verstummte.
    »Was denn?«
    »Ach, nichts«, erwiderte Brigitte. Dann rief sie mit lauter Stimme: »Pierre!«
    Doch die Fenster blieben geschlossen, und es wurde hinter ihnen auch keine Bewegung, keine Gestalt mehr sichtbar. Im Nachbarhaus ging ein Fenster auf, und eine dicke Frau beugte sich heraus. Neugierig sah sie herunter.
    »Kommen Sie, gehen wir«, drängte Paul. »Wir können ja hier doch nichts ausrichten.«
    Beide fühlten sich sehr unbehaglich, als sie hinaus auf die Straße gingen. Als sie bereits im Wagen saßen und Paul gerade losfahren wollte, warf er noch einen letzten Blick zu Pierres Fenstern hinauf.
    Dort schob gerade jemand die Gardinen zusammen.
     

     
    »Zweimal Schnitzel, bitte.«
    Felix Ollig, der Metzger vom Laden an der Ecke, warf seinem späten Kunden einen überraschten Blick zu. Es war fast halb acht, und er wollte gerade schließen. Der große Mann mit dem bleichen Gesicht wich seinem Blick aus.
    »Zwei Schnitzel für Herrn Merlin«, wiederholte der dicke Mann mit der blutbefleckten weißen Schürze. »Na, haben Sie wieder ein bisschen Appetit bekommen?«
    »Nein, ich … ich habe Besuch«, erwiderte Pierre.
    Während er die Schnitzel abschnitt, sah der Metzger seinen Stammkunden neugierig an. Er hatte Mitleid mit dem Witwer, der bisher fast allabendlich eine Scheibe Fleisch bei ihm gekauft hatte.
    »Nun, geht es Ihnen gut, Herr Merlin?« fragte Frau Ollig, als sie ihrem schweigsamen Kunden das Wechselgeld herausgab.
    Er lächelte schwach und murmelte dann einen leisen Gruß. Das Ehepaar sah ihm nach, als er sich mit wiegenden Schritten entfernte.
    »Er sieht immer noch sehr elend aus«, meinte der dicke Metzger und krauste die Nase. »Nanu? Wonach riecht es denn hier?«
    Ein leichter Modergeruch lag in der Luft.
    Seine Frau schnupperte. »Ich rieche nichts«, erklärte sie.
     

     
    Brigittes Absätze klapperten gleichmäßig auf dem Straßenpflaster. Ihr grüner Regenschirm tanzte über ihrem Kopf und reflektierte den Lichtschein, der aus den erleuchteten Schaufenstern fiel. Es regnete schon den ganzen Tag.
    Jetzt hatte sie den Platz der Republik erreicht. Es war fast sieben Uhr abends. Nach einem Gespräch mit ihren Kollegen im Büro hatte sie sich entschlossen, noch einen Versuch zu machen, Pierre Merlin zu besuchen.
    »Nein, ich gehe lieber allein hin«, hatte sie gemeint.
    Sie glaubte, dass sie mit weiblicher Geduld und fraulichem Einfühlungsvermögen mehr erreichen konnte. Der Fall Merlin beschäftigte sie. Für den schweigsamen, einsamen Mann, mit dem sie nun schon viele Jahre zusammenarbeitete, empfand sie aufrichtige Freundschaft. Ihr weiblicher Instinkt verriet ihr, dass irgendetwas Besonderes mit Pierre geschehen war. Was das sein konnte, wusste sie nicht, aber sie wollte sich Klarheit darüber verschaffen.
    Als sie den Platz überquerte, bemerkte sie, dass die Fenster von Merlins Wohnung erleuchtet waren. Er war also da. Nun musste er öffnen, wenn sie beharrlich genug war.
    Als sie vor der Wohnungstür stand, klingelte sie nicht sogleich, sondern lauschte aufmerksam. Es drangen aber nur leise, undefinierbare Laute an ihr Ohr. Dann läutete sie. Wieder hörte sie gedämpfte Geräusche, und dann vernahm sie ganz deutlich Pierres Stimme.
    »Sei still!« sagte er. Danach herrschte Schweigen.
    Brigitte klingelte Sturm. Als

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