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003 - Der Totentanz

003 - Der Totentanz

Titel: 003 - Der Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alphonse Brutsche
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… ein Zeitpunkt … Ja, das war eine gute Erklärung. Trotzdem war es seltsam, dass dieser Handel im Finstern abgeschlossen worden war.
    Pierre Merlin runzelte die Stirn. Was gingen ihn die Angelegenheiten anderer Leute an?
    Aber die späte Stunde, der verlassene Ort und die Dunkelheit führten dazu, dass ihm immer unbehaglicher zumute wurde.
    »Siehst du, Christine, ich werde schon ein bisschen merkwürdig ohne dich«, flüsterte er.
    Er lachte lautlos. Unbewusst ballte er die Hände in den Taschen. In der Stille waren Schritte zu hören. Sie entfernten sich in der Nacht. Die beiden Männer hatten offensichtlich ihr Gespräch beendet. Doch nein, zu seiner Linken waren noch immer die leisen Stimmen zu hören. Pierre lauschte, aber er konnte die Worte nicht verstehen.
    Gleich darauf war alles still. Auch die Schritte waren in der Ferne verklungen. Pierre Merlin schalt sich selbst kindisch, dass er einem ganz alltäglichen Vorfall soviel Bedeutung zumaß. Er sah Geheimnisse, wo es gar keine gab. Zwei Männer hatten sich über die Errichtung eines Grabsteins unterhalten, dann war der Handwerker gegangen, während der Leidtragende noch zurückgeblieben war, um ein letztes Gebet zu sprechen. Das war alles.
    Doch während Pierres Verstand sich bemühte, eine logische Erklärung für das Vorgefallene zu finden, empfand er ein tiefes Grauen. Er schüttelte den Kopf.
    »Was soll denn Christine von mir denken?« ermahnte er sich. »Nun, ich werde jetzt besser gehen. Adieu, meine Liebe«, sagte er leise.
    Doch er konnte sich nicht recht zum Aufbruch entschließen. Plötzlich vernahm er von neuem Schritte, ganz in der Nähe. Pierre rührte sich nicht. Nur sein Blick wanderte nach links. Zuerst bemerkte er nichts, doch dann zeichnete sich auf dem schmalen Weg eine menschliche Gestalt ab.
    Jemand kam auf ihn zu. Wohl einer der beiden Männer, die sich vorhin unterhalten hatten.
    Die Schritte näherten sich nur langsam. Fast schien es, als könne sich auch dieser späte Besucher nicht recht dazu entschließen, den Friedhof zu verlassen. Jetzt war er noch etwa fünf Meter von Pierre entfernt, noch vier, noch drei …
    Weil es so dunkel war, konnte er nicht sehen, wie der Näher kommende aussah. Pierre wandte den Blick ab, um nicht aufdringlich zu erscheinen.
    Jetzt war der Unbekannte fast bei ihm angelangt.
    Plötzlich hörte er die Schritte nicht mehr. Alles war still.
    Der andere war direkt hinter ihm stehen geblieben. So nah, dass er ihn hätte berühren können.
    Die Spannung, die Pierre erfüllte, war kaum noch zu ertragen.
    »Es ist furchtbar, einen lieben Menschen zu verlieren, nicht wahr?«
    Die Stimme klang rauh. Sie brach das Schweigen und löste gleichzeitig Merlins Spannung.
    Unwillkürlich entfuhr ihm ein Seufzer. Er spürte, dass Schweiß auf seiner Stirn stand. Einen Moment zögerte er noch, dann drehte er sich langsam um.
    Der Fremde war wesentlich kleiner als Pierre. Er reichte ihm nur bis an die Schulter. Im Dunkel sah Pierre undeutlich ein Gesicht, umgeben von langen Haaren, die vermutlich grau oder weiß waren. Er nickte dem Mann zu, aber er wusste nicht, was er auf seine Worte erwidern sollte.
    Der andere zuckte die Achseln. Er trat zwei Schritte zur Seite, um das Grab zu betrachten, in dem Christine ruhte. Dabei hörte Pierre ein leises Klirren und sah etwas auf der Brust des Mannes golden aufblitzen. Der Unbekannte schien einen Anhänger oder ein Medaillon zu tragen. Es war so dunkel, dass Pierre nicht erkennen konnte, wie der Mann gekleidet war, und auch seine Gesichtszüge waren nicht zu sehen.
    Der andere beugte sich über das Grab.
    »Ja, ja«, sagte er mit seiner rauhen Stimme, »man baut sein Leben im Bewusstsein auf, dass man zu zweit ist, dass man einen Gefährten hat, und dann ist man doch wieder allein. Schrecklich.«
    Pierre wusste noch immer nichts zu erwidern.
    »Da bleibt einem dann nur noch der Friedhof, wenn man mit dem lieben Verstorbenen zusammen sein will. Aber was nützt es schon, wenn man das Wort an ihn richtet. Er hört einen ja nicht.«
    Der Unbekannte hatte sich jetzt Pierre zugewandt. Seine Worte waren bei Pierre auf fruchtbaren Boden gefallen. Der Fremde hatte ihm aus der Seele gesprochen. Wie kam das? Was hatte das zu bedeuten?
    »Wo mag Christine jetzt sein?« fuhr der alte Mann fort.
    Pierre erstarrte. Christine … Wieso hatte der Unbekannte so vertraulich ihren Namen gesprochen? Und woher kannte er ihn überhaupt? Hatte er ihn trotz der Dunkelheit auf dem Grabstein lesen

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