003 - Die schwarze Rose
war. Und die vorstehenden Zähne leisteten einen wertvollen Beitrag zu dieser erschreckenden Miene. Chloe wusste nichts mehr zu sagen. Wie sollte sie die Frau beschwichtigen?
Im Augenblick gab es kein freies Zimmer.
Und dann wurde sie von Jean-Jules gerettet, der schon seit einiger Zeit hinter ihr stand und das Gespräch mit angehört hatte. „Wenn Sie es wünschen, stelle ich Ihnen mein Zimmer zur Verfügung, Madame de Dufond. Die Fenster gehen nach Osten hinaus, zum Wald, und es ist angenehm ruhig."
Nun ging eine erstaunliche Veränderung mit der Dame vor. Sie nickte erfreut und ließ ihren Fächer flattern. „Merci, Comte Cyndreac, Sie sind sehr freundlich."
Seine Geste überraschte Chloe nicht sonderlich. Immerhin hatte er die Baronesse schon vor ihrer Ankunft verteidigt. „Dann werde ich Calloway mitteilen, dass Sie beide Ihre Zimmer tauschen möchten." Aufmunternd lächelte sie die Frau an.
„Danke, Lady Sexton." Die Baronesse ging durch die Verandatür hinaus, und Chloe hätte schwören können, das kleine Schiff würde etwas fester im hochgetürmten Haar ankern.
Vom Garten aus sah John einen Cyndreac neben Chloe stehen und fand, es wäre an der Zeit, in den Salon zurückzu-kehren. Unterwegs begegnete er der Baronesse Dufond, musterte gleichmütig das Schiffchen, das an ihm vorbeisegelte, und fand diese Haartracht etwas seltsam.
Nach zwei weiteren Schritten blieb er abrupt stehen, drehte sich um und starrte den dekorativen Kopfputz an. „Mein Modell!" murmelte er indigniert und folgte der Diebin.
Chloe beobachtete, wie er hinter der Baronesse herstürmte, und presste eine Hand auf den Mund, um ein Kichern zu unterdrücken. Zweifellos würde das Schiffchen beim Dinner immer noch auf der gepuderten Haarpracht thronen, nachdem John einen hochmütigen Dufond-Blick eingefangen hatte.
„Was für eine originelle Frisur!" bemerkte ein amüsierter Jean-Jules an ihrer Seite.
„Offenbar bist du Baronesse Dufonds edler Ritter."
„Wenn du meinst, Chloe ..."
„Darf ich dich was fragen?"
Er hob die Brauen, und sie glaubte den Mann zu sehen, der er in zehn Jahren sein würde. „Empfindest du eine gewisse tendresse für die Dame?"
Lässig zuckte er die Achseln. „Im Gefängnis war sie eines Nachts sehr nett zu mir."
„Oh. . ."
„Non, nicht auf diese Weise."
„Was ist geschehen?"
„Ich hatte mich mit einer Fieberkrankheit angesteckt. Und in der allerschlimmsten Nacht ..." Unsicher errötete er und schien nicht zu wissen, ob er diese sehr persönliche Geschichte erzählen sollte.
„Ja?" drängte Chloe.
„Sie hielt meinen Kopf in ihrem Schoß fest, berührte meine Stirn und betonte, es sei sehr tapfer von mir, auf diese Weise zu sterben - in einem schmutzigen Kerker, vom Gestank des Bösen umgeben." Versonnen beobachtete er einen Vogel, der von einem Zweig zum anderen hüpfte. „Im Morgengrauen sank das Fieber, und ich war überglücklich, weil ich am Leben bleiben würde. Dann erschienen einige Soldaten, führten die nächste Gruppe zur Guillotine, und ich sah die Situation wieder in der richtigen Perspektive. Wie auch immer, in jener Nacht wusste ich die Güte der Baronesse zu schätzen."
Forschend schaute Chloe ihn an und spürte, dass er mühsam mit seinen Emotionen kämpfte. Was für ein empfindsamer, warmherziger junger Mann, dachte sie. Eines Nachts hatte eine zum Tode Verurteilte einen sterbenskranken Mitgefangenen getröstet wie eine liebevolle Mutter. Solche Gesten vergisst man nie. Und Jean-Jules würde stets über das ärgerliche Benehmen der Baronesse hinwegsehen, weil sie in jenem Augenblick ihren edlen Charakter bewiesen hatte.
„Danke, dass du mir's erzählt hast. Daran werde ich in Zukunft denken."
Verlegen nickte er, dann entschuldigte er sich und ging auf die Suche nach seinen Brüdern.
Beim Dinner sah sie das Schiffchen triumphierend im Haar der Baronesse ankern, während ein missgelaunter Viscount am Kopfende der Tafel die Stirn runzelte. Der Ausgang seiner Diskussion mit der Dame überraschte Chloe nicht sonderlich. Armer John, er war einfach zu gutmütig. Die Hälfte der Gäste trug sein persönliches Eigentum zur Schau.
An ihrer Seite saß Adrien und fragte, ob man in einem Fluss, den er an der Nordseite des Grundstückes entdeckt hatte, angeln könne. Lautes Stimmengewirr erfüllte den Bankettsaal. Deshalb musste sie sich näher zu ihrem jungen Freund neigen, um zu antworten, und praktisch in sein Ohr schreien. Danach blickte sie auf und starrte erschrocken in
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