0030 - Am Morgen meiner Hinrichtung
Diebstahls, Bandenverbrechens, Gefährdung der Verkehrssicherheit und Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gesucht. (Das war nur ein Teil von dem, was mir der Staatsanwalt später in seiner Anklageschrift servierte.)
Die Polizei hatte längst durch Telefon, Fernschreiber, Funksprechverbindungen und Radiodurchsagen auf uns aufmerksam gemacht. Man kann ohne Übertreibung sagen, daß wir zu dieser Zeit in ganz Venezuela, jedenfalls soweit es Radios dort gab, berühmt und berüchtigt waren. Und ich weiß, daß zwei sehr einflußreiche und bedeutende Männer in Venezuela am Radio saßen und alle ihre wichtigen sonstigen Geschäfte für ein paar Minuten zurückstellten.
Vorläufig aber wußte ich das alles noch nicht. Das erfuhr ich erst später, und ich will ja der Reihe nach berichten. Also: Wir hatten die Filiale der Banco Nacional überfallen wie zwei richtige Gangster. Wir, zwei Beamte der nordamerikanischen Bundeskriminalpolizei. Jerry Cotton und Phil Decker. Ob wir verrückt geworden sind? Nichts davon. Wir waren so normal wie eh und je.
Und jetzt befanden wir uns, wie sich das für Bankräuber gehört, auf der Flucht vor der Polizei. Dabei war uns eines von vornherein klar: Wir hatten so laut und vernehmlich um uns geknallt, daß die lieben Kollegen der venezolanischen Staatspolizei nicht viel Federlesen mit uns machen würden, wenn sie uns erst einmal stellten.
Und im Gegensatz zu richtigen Gangstern gaben wir uns beide nicht der verrückten Illusion hin, daß sie uns nicht stellen würden. Sie hatten auf jeden Fall den längeren Arm, sie mußten uns eines Tages kriegen. Wichtig war nur, daß bis dahin, bis zu der Sekunde, wo sie uns erwischten, Teil eins und Teil zwei unserer Aufgabe richtig erledigt worden war. Darauf allein kam es an.
»Teils eins wäre erledigt«, sagte Phil, als ich gerade daran denken mußte. »Überfall und Beute in Sicherheit bringen — beides ist geschehen und damit der erste Teil ausgeführt. Alles in allem hätte es schlimmer für uns ausgehen können.«
Ich mußte ihm recht geben.
»Stimmt«, sagte ich. »Wir könnten schon irgendwo als Leichen liegen. Aber was nicht ist, kann alles noch werden.«
»Jetzt glaube ich, daß wir’s schaffen«, stöhnte Phil. »Verdammt, laß dich von meinem Stöhnen nicht beirren. Es brennt lausig in meiner Schulter, und Stöhnen schafft Luft.«
»Stöhne so viel und so laut, wie es dir Spaß macht. Hauptsache, du bleibst dabei aüf den Beinen.«
»Werde ich, Jerry. Werde ich ganz bestimmt. Es hat auf gehört zu bluten und brennt nur noch verdammt heiß. Sonst bin ich okay wie ein Fisch im Wasser.«
Man konnte es seiner Stimme anhören, daß er jetzt ganz schön übertrieb. So fidel wie ein Fisch im Wasser fühlte er sich garantiert nicht. Höchstens wie ein Fisch, dem schon der Angelhaken fest im Maul hängt.
»Jetzt glaube ich wirklich, daß wir’s schaffen« fuhr Phil fort. »Der zweite Teil ist bestimmt nicht so schwer wie der erste!«
»Hoffen wir’s!«
»Alte Unke!« knurrte Phil. »Verdirb mir nicht die ganze Lust an der Sache.«
Na, Phil war ausgesprochen lustig. Lust an dieser verrückten Sache? Ich konnte mir durchaus schönere Aufträge vorstellen.
Wir fuhren noch immer in ganz beachtlichem Tempo über die neue Hauptstraße ins Gebirge hinein. Ich war sicher, daß wir jetzt einen beachtlichen Vorsprung hatten. Aber ich wußte nicht, ob sie von der nächsten Ortschaft im Süden uns nicht schon Polizeijeeps entgegengeschickt hatten und wieviel Zeit die brauchen würden, um auf uns zu stoßen.
Keine zwei Minuten weiter tauchte die Stelle vor uns auf, die wir uns ausgesucht hatten. Ich fuhr den Wagen heran und stoppte.
»Auf zu Nummer zwei, Phil«, sagte ich und stieg aus.
Er gab mir die Maschinenpistolen und die Reservemagazine heraus. Ich nahm sie und half ihm dann beim Aussteigen.
»Wir haben’s ja gleich geschafft«, redete ich ihm zu, als ich sah, wie sich sein Gesicht bei der Anstrengung schmerzlich verzog.
»Nein, du brauchst mich nicht zu stützen. Ich kann allein gehen!« wehrte er ab.
Na gut. Ich turnte in die Felsen hinein. Er kam hinter mir her. Es ging einigermaßen, weil wir ja die Stelle extra dafür ausgesucht hatten. Aber für Phil mußte es eine Mordsanstrengung sein.
Die Sonne brannte mit mörderischer Glut. Ein Glück, daß wir unsere Hüte aufgesetzt hatten. Zwei Minuten ohne Kopfbedeckung in dieser brüllenden Hitze — und ich garantiere dem härtesten Schädel einen Sonnenstich.
Ich brachte
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