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0030 - Am Morgen meiner Hinrichtung

0030 - Am Morgen meiner Hinrichtung

Titel: 0030 - Am Morgen meiner Hinrichtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Am Morgen meiner Hinrichtung
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und Juanita nicht stattfand, obgleich man allgemein damit nach Bigos Rückkehr aus dem Krankenhaus gerechnet hatte. Juanita zog sich auffällig von Bigo zurück. Böse Zungen munkelten, Juanita wolle keinen Krüppel zum Manne haben. Der Diebstahl der Messer wurde so ausgelegt, irgendein wild im Dschungel lebender Indianer, von denen es, wie allgemein bekannt war, noch einige Stämme gab, mochte um die Zeit, da alle auf den Kaffeefeldern arbeiten, ins Dorf geschlichen sein und aus der versehentlich offengebliebenen Kassette die vier Messer gestohlen haben. Das schien um so wahrscheinlicher, als es ohnehin ein paar kleinere Diebereien im Dorf gegeben hatte, deren Täter nie ermittelt werden konnten. Nun schob man auch dies und den heimtückischen Angriff auf Bigo kurzerhand dem wilden Indianer zu.
    Bigo freilich war anderer Meinung. Aber da er immer ein rauflustiger Bursche gewesen war und so manchen verprügelt hatte, gönnten ihm viele sein Pech, wenn sie auch nach außen hin die Mienen des Mitleids und des Bedauerns trugen.
    Zwei Jahre waren, wie gesagt, seit dieser Geschichte vergangen. Bigo ging oft abends allein zum See und lag im Gras. Er konnte es nie verwinden, daß ihm Juanita den Laufpaß gegeben hatte. Und eines Abends geschah es abermals. Bigo wurde von zwei Messern getroffen. Eines drang quer durch seine rechte Wade, das andere stak in der Brust.
    Man fand ihn erst spät in der Nacht, als die Eltern durch sein langes Ausbleiben unruhig wurden und mit einigen Nachbarn nach ihm suchten. Juan aber lag um diese Zeit längst auf seinem Lager und schlief. Da man sofort nach ihm sah, hatte er hinterher vier Zeugen dafür, daß er geschlafen hatte. Und die Pflegeeltern sagten aus, daß Jüan den ganzen Abend über die Hütte nicht verlassen hatte.
    Diese Aussage war zwar nicht viel wert, denn die Eltern hatten sich früh zur Ruhe begeben, und sie hatten bei ihrem arbeitsreichen Tageslauf sicher einen so tiefen Schlaf, daß es für Juan ein leichtes gewesen sein mochte, heimlich die Hütte zu verlassen und ebenso heimlich auf sein Lager zurückzukehren, aber man konnte ihm auf jeden Fall nichts nachweisen.
    Bigo überstand mit seinem zähen Körper auch diese durchaus gefährlichen Verletzungen. Aber er war nun gezeichnet bis an sein Lebensende, denn er konnte sich nur an einer Krücke fortbewegen, und die verletzte Lunge zwang ihn dazu, alle heftigen und schnellen Bewegungen zu unterlassen, wenn er nicht in äußerste Atemnot kommen wollte.
    Juanita war Juan stets ausgewichen. Aber eines Tages wurde sie von Juan auf der Plaza angesprochen. Juan zog seinen breitrandigen Strohhut und sagte: ›Guten Tag, Señorita Juanita.‹
    ›Tag‹, erwiderte die Schöne von oben herab. ›Was ist los? Was willst du von mir?‹
    ›Ich möchte dich bitten, mich zu heiraten.‹
    ›Was?‹
    ›Ich möchte dich bitten, mich zu heiraten.‹
    ›Du bist ja verrückt! Dich würde ich höchstens nehmen, wenn du hunderttausend Bolivar hättest.‹
    Juan schwieg nachdenklich. Dann hob er plötzlich den Kopf und sagte in seiner bedächtigen, langsamen Art: ›Versprichst du mir, daß du mich heiratest, wenn ich hunderttausend Bolivar habe?‹
    Das Mädchen schüttelte ärgerlich den Kopf: ›Mach dich nicht lächerlich, Juan! Soviel Geld wirst du nie besitzen!‹
    ›Schwörst du es bei der Heiligen Madonna?‹ fragte Juan mit schiefgestelltem Kopf.
    ›Meinetwegen auch das!‹
    Juan hielt ihr ein kleines Medaillon mit dem Muttergottesbild hin.
    ›Schwör mir bei der Heiligen Madonna, daß du mich heiraten wirst, wenn ich hunderttausend Bolivar besitze.‹
    ›Ich schwöre es. Und nun laß mich in Ruhe!‹
    Juan steckte zufrieden sein Medaillon ein. Er wartete mit gezogenem Hut, bis das Mädchen gegangen war, dann wandte er sich um und kehrte in seine Hütte zurück.
    Vierzehn Tage später verließ Juan das Dorf. Er ging in die Hauptstadt. Sein Gepäck war nicht groß, und außer seinen Dolchen bestand es nur noch aus ein paar billigen Kleidungsstücken. In der Stadt verrichtete er alle möglichen Gelegenheitsarbeiten, bis er schließlich einer Bank als Bote für kleinere Geschäftsgänge angestellt wurde.
    Eines Tages — Juan war angeblich gerade auf einem Botengang — erschien in der Bank ein maskierter Mann, der sich vor den Kassenschalter stellte, eine große Tasche hinlegte und mit leiser Stimme forderte, man möge alles vorhandene Bargeld hineintun.
    Der Kassierer sah nur, daß der Maskierte keine Waffe sichtbar mit sich trug,

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