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0030 - Am Morgen meiner Hinrichtung

0030 - Am Morgen meiner Hinrichtung

Titel: 0030 - Am Morgen meiner Hinrichtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Am Morgen meiner Hinrichtung
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mit ein paar Männern auf den Weg, den verletzten Bigo zu holen, während von der Plantage aus schon nach dem Doktor telefoniert wurde.
    Die Sache kam vor den Dorfrichter. Der fragte Juan, ob er sich zutraue, mit seinen Messern auf vier oder fünf Meter Entfernung einen Menschen zu treffen. Juan stand kerzengerade und fragte als Erwiderung, ob- er eines seiner Messer holen dürfe.
    ›Gut, hole es!‹ sagte der Dorfrichter.
    Juan ging mit einem Manne, der soviel wie ein Ortspclizist war, und kam nach wenigen Minuten mit einem seiner Dolche zurück.
    Er heftete ein Blatt Papier an einen Baumstamm, zeichnete einen Kreis auf das Blatt, nicht größer als die Münze eines Zehncéntimostückes, zählte zwanzig Schritte von dem Baum ab und stellte sich auf.
    ›Ich würde mit jedem meiner Messer den Kreis auf dem Papier treffen‹, sagte Juan, hob den Arm und warf.
    Das Messer saß genau.
    Die Dorfbewohner, die neugierig um den Richtertisch herumstanden, den man mitten auf der Plaza aufgestellt hatte, raunten vor Überraschung und Anerkennung.
    ›Du könntest es also gewesen sein, der dem Bigo die Messer in den Leib warf?‹ fragte der biedere Richter.
    Juan zuckte verächtlich die Achseln.
    ›Verzeihung, Señor‹, sagte da Juans Pflegevater. ›Darf ich etwas sagen?‹
    ›Natürlich, Señor Rodrigo‹, sagte der Richter zu dem zerlumpten Plantagenarbeiter.
    ›Ich glaube nicht, daß es Juan war‹, sagte Rodrigo.
    ›Und warum nicht?‹
    ›Jeder im Dorf weiß, daß es Bigo war, der Juans Bücher verbrannt hat, wenn man es ihm auch nicht beweisen kann. Juan weiß es so gut wie jeder andere. Er haßt Bigo seit diesem Tag. Und gerade weil er ihn haßt, kann er die Messer nicht geworfen haben.‹
    ›Das verstehe ich nicht‹, gab der Richter mit biederer Ehrlichkeit zu. Es war ein weißhaariger Plantagenarbeiter, der von den Einwohnern zum Richter gewählt worden war, um kleine Dorfstreitigkeiten zu schlichten. Er galt als sehr gerecht und unparteiisch.
    ›Wenn Juan die Messer geworfen hätte, dann hätte eines genügt. Und dieses eine hätte in Bigos Herz gesessen. Denn er haßt ihn, wie er keinen anderen Menschen haßt. Und daß er imstande ist, Bigos Herz zu treffen, auch aus größerer Entfernung, als es die paar Meter vom Wald zum Seeufer waren, das hat er ja gerade bewiesen. Der Mann, der auf Bigo die Messer warf, muß ein Stümper gewesen sein. Er warf zwei Messer, und keines traf richtig.‹
    Ein Murmeln erhob sich unter den Dorfbewohnern. Die einen nickten, weil sie es einleuchtend fanden, was Juans Pflegevater gesagt hatte, die anderen wiegten zweifelnd ihren Kopf.
    ›Außerdem aber‹, fuhr Juans Adoptivvater fort, ›weiß jeder im Dorf, daß man Juan vier Messer gestohlen hat. Und er hat sie beschrieben. Die beiden, die in Bigos Leib steckten, gehörten zu den gestohlenen. Das kann jeder bestätigen. Juan hängt so sehr an seinen Messern, daß er vor lauter Aufregung ja gleich jedem erzählt hat, man habe ihm die und die Messer gestohlen.‹
    Das konnten eine ganze Reihe von Dorfbewohnern bestätigen. Und Juanita mußte zugeben, daß sie Juan in der Hütte vorgefunden hatte, als sie vom See gekommen war.
    ›Atmete er hastig?‹ fragte der Richter.
    Juanita schüttelte widerwillig den Kopf.
    ›Sah man feuchte Stellen an seinem Hemd vom Schweiß?‹
    Wieder mußte Juanita den Kopf schütteln.
    ›Hm‹, sagte der Richter. ›Juan, erzähle mir doch, warum du dir überhaupt die vielen Messer gekauft hast?‹
    ›Früher haben sie mich immer verprügelt‹, sagte Juan und lachte, daß seine weißen Zähne gefährlich blitzten. ›Seit ich die Messer habe und mit ihnen umgehen kann, wagt es keiner mehr.‹
    Das schien in der Tat eine einleuchtende Begründung zu sein. Daß er sich aber so viele Messer und Dolche angeschafft hatte, nun, das konnte eben an Juans Eigenart liegen. Er war ja immer schon ein seltsamer Bursche gewesen.
    Man konnte nichts gegen ihn unternehmen. Nach sechs Wochen kam Bigo aus dem Hospital zurück, in das man ihn gebracht hatte. Er hinkte. Und der Arzt sagte Bigos Eltern, es bestehe keine Aussicht, das Hinken zu beseitigen. Das Messer hatte das Oberschenkelgelenk des linken Beines getroffen und bösartig verletzt.
    Mit seiner Schulter ging es etwas besser. Zwar war der linke Arm sehr geschwächt, aber er war wenigstens einigermaßen zu bewegen.
    Zwei Jahre vergingen, ohne daß sich etwas Bemerkenswertes zugetragen hätte. Höchstens ist erwähnenswert, daß die Hochzeit zwischen Bigo

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