0030 - Der Höllenlord
»Und dort, wo kein Dreck ist, reißt man sich die Sohlen an den scharfkantigen Felsen in Stücke. Ich verstehe wirklich nicht, wieso ein vernünftig denkendes Wesen auf die Idee verfallen könnte, rund um dieses Nest Urlaub zu machen oder auch nur ein freies Wochenende hier zu verbringen. Wie war’s bei euch?«
Professor Zamorra erzählte knapp and präzise, was vorgefallen war. »Und stell dir vor«, beendete er seinen Bericht, »Lord Cordow hat sich in unsere Nicole verliebt.«
Nicole spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoß und ärgerte sich deshalb. »Glauben Sie kein Wort Bill. Dei Professor sieht schon wieder einmal Gespenster.«
»So abwegig ist das doch gar nicht«, grinste Bill Fleming jungenhaft. »Ich kenne auch jemanden, der Ihnen mit Haut und Haar verfallen ist…«
»Sie Schmeichler«, versuchte Nicole dem Gespräch eine Wende zum Flachs zu geben. Es war ihr nicht unbekannt geblieben, daß auch Bill sie manchmal mit seltsamen Augen ansah.
»Turtelt später weiter«, sagte Professor Zamorra. »Der Tag ist noch lang genug. Jetzt möchte ich wissen, was du getrieben hast, Bill. Schlammtreten doch wohl nicht.«
Die drei gingen in die Gaststätte und setzten sich.
»Vorher darf ich mir wohl noch etwas zu essen bestellen. Ich bin ausgehungert wie ein Wolf. Ich hatte nicht das Glück, so generös eingeladen zu werden. Obwohl ich gar nicht so weit von Dunvegan Castle weg war.«
Eine ältere Magd erschien am Tisch und nahm die Bestellung Bills entgegen. Dann brachte sie drei Gläser Dünnbier.
»Ich habe dem Vogelmenschen geholfen«, begann Bill. »Er hat mir leid getan, wie er sich so abschleppen mußte. Ihr wißt ja, daß er Raubmöwen filmen will. Wir haben ganz in der Nähe der Anlegestelle des Schlosses eine Niststelle gefunden. Dort hat Hark auch sein Tarnzelt aufgestellt. Ich bin ihm ein wenig zur Hand gegangen. War ganz interessant für mich, mich mal mit einem Ornithologen zu unterhalten. Der Mann versteht etwas von seinem Fach. Das Zelt ist so gut versteckt, daß ich es nur mit Mühe wiederfinden würde.«
»Wenigstens hast du deine Stunden in frischer Luft und nicht in alten Gemäuern verbracht«, hänselte Professor Zamorra den Freund. »Wie ich dich beneide.«
»Wenn es einmal einen Nobelpreis für Spötter gibt, werde ich dich vorschlagen«, meinte Bill. »Das war alles andere als angenehm. Du hast keine Vorstellung davon, wie schwer ein Koffer mit Kamera und Objektiven ist. Ich bin mir vorgekommen wie ein Rikschakuli. Doch dafür weiß ich jetzt alles über Raubmöwen. Hark Merreny hat pausenlos geredet.«
»Um welche Raubmöwe ging es denn?« grinste Professor Zamorra. »Um die Stercorarius skua, um die Stercorarius pomarinus, um die Schmarotzer-Raubmöwe oder um die Stercorarius longicaudus?«
Bill Fleming hätte sich beinahe an seinem Bier verschluckt. Er brachte den Schluck gerade noch hinunter, bevor er loshüstelte.
»Das darf doch wohl nicht wahr sein. Du kennst die Dinger auch?«
Professor Zamorra grinste.
»Nun bleib mal schön auf dem Teppich, lieber Freund. Ich habe mein Wissen aus derselben Quelle wie du. Als du gestern auf dem Boot so hemmungslos mit Nicole geflirtet hast, habe ich mich mit Hark Merreny unterhalten. Er hat mich auch nicht mit einer einzigen Kleinigkeit verschont. Nur den lateinischen Namen für die Schmarotzermöwe habe ich wieder vergessen.«
»Gott sei Dank«, atmete Bill auf. »Und ich habe dich schon für ein Wundertier gehalten, für das man ebenfalls schnellstens einen lateinischen Namen erfinden müßte.«
Alle drei lachten.
Die schmucklose Magd brachte Bills Essen.
»Kann man von dem Tarnzelt aus auch unbemerkt die Burg beobachten?« fragte Zamorra.
»Aber ja.« Bill kaute an seinem gebratenen Schinken. »Hast du das vor? Hark hat ein Teleobjektiv, da kannst du dem Schloßherrn glatt in den Teller gucken und die Spaghetti zählen.«
»Das ist ja prächtig. Vielleicht werde ich ihn sogar darum bitten, mich einmal durch seine Kamera sehen zu lassen. Mit dem Schloß ist eine ganze Menge nicht in Ordnung. Vielleicht finden wir hier einen Ansatzpunkt, der uns hilft, Elenore Lughton wiederzufinden. Ich habe das untrügliche Gefühl, als ob Cordow am Verschwinden des Mädchens nicht ganz unschuldig gewesen wäre.«
Professor Zamorra ging näher auf die seltsame Beobachtung ein, die er gemacht hatte, Er erzählte von dem Tasten in seinem Gehirn und fragte auch Nicole, ob sie etwas Ähnliches wahrgenommen habe, aber seine Sekretärin
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