0030 - Der Höllenlord
Mienenspiel des Schloßherrn vorging. Zwar hatte er sich sofort wieder in der Gewalt, doch Zamorra war das erstaunte Zucken um seine Mundwinkel nicht entgangen. Lord Cordow reagierte nicht anders als andere Männer auch, wenn sie Nicole das erste Mal bewußt ansehen. Nicole Duval konnte bei jeder beliebigen Mißwahl mitmachen. Der erste Preis wäre ihr bei allen derartigen Veranstaltungen sicher gewesen.
Nur gesellten sich zu ihrer unübersehbaren aparten Schönheit auch noch Tatkraft und Intelligenz.
»Reizend«, entfuhr es dem Lord. Er faßte nach Nicoles Hand und verbeugte sich zu einem galanten Handkuß. »Lord Cordow ist mein Name. Ich finde, es war ein wunderbarer Zufall, der Sie nach Dunvegan Castle führte. Darf ich Ihnen meine Gastfreundschaft anbieten?«
Professor Zamorra stellte zuerst seine Mitarbeiterin und dann sich selbst vor.
Lord Cordow blickte überrascht auf, als er Zamorras Namen hörte.
»Aber doch nicht der berühmte Professor Zamorra aus Frankreich? Sie sind der Besitzer des Château de Montagne?«
Zamorra nickte nur.
»Dann sind Sie also der Papst der Parapsychologen, wenn ich mich so ausdrücken darf. Ich habe alle Ihre Werke mit Begeisterung gelesen. Sie müssen wissen, daß auch ich mich hie und da mit ockulten Phänomenen beschäftige.«
»Ich weiß es bereits«, lächelte Zamorra schmal. »Ich nehme an, Ihr Hauptgebiet ist dabei die Telepathie…«
Cordows Lippen zuckten nervös, doch dann lächelte er schon wieder.
»Sie haben es erraten«, meinte er mit einem lauernden Ausdruck in den Augen. »Jedenfalls bin ich sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben.«
»Daß Sie sich für Telepathie interessieren, wußte ich bis vor wenigen Minuten noch nicht«, sagte Zamorra und versuchte seiner Stimme einen beiläufigen Klang zu geben. »Bisher dachte ich immer, Ihr Hauptgebiet wäre die Gehirnchirurgie. Wie bedauerlich, daß durch Ihren Autounfall der Wissenschaft eine Koryphäe wie Sie verloren gegangen ist.«
»Sie übertreiben, Professor Zamorra. Verzeihen Sie, wenn ich mich trotzdem geschmeichelt fühle. Ein Wort der Bewunderung aus Ihrem Munde muß einen Mann stolz machen.«
Lord Cordow beherrschte die Kunst der peniblen Konversation, und Zamorra hörte den leisen Spott aus diesen Worten wohl heraus.
Die Situation war jener nicht unähnlich, in der sich zwei fremde Hunde beschnüffelten. Keiner sagte wirklich etwas. Beide schlichen sie um den Kernpunkt Ihres Gespräches herum. Und der Kernpunkt bestand darin, daß sich beide Männer von Herzen mißtrauten. Was sie hier veranstalteten, war ein verbaler Stellungskrieg, bei dem es um jeden Zentimeter Boden ging. Cordow hatte versucht, in die Gedanken Zamorras einzudringen, und es war ihm klar, daß auch Zamorra das wußte, denn er hatte seine Gedanken abblocken können.
Cordow wußte nur nicht, wie der Mann aus Frankreich das gemacht hatte. Er hoffte, das noch herauszufinden, denn bisher hatte ihm noch keiner widerstehen können.
»Was stehen wir hier noch herum?« fragte Lord Cordow und machte eine einladende Geste in Richtung Schloßhof. Unsichtbar stand eine Scheibe aus Glas zwischen den beiden Männern, die sie daran hinderte, wie Kampffische in einem Aquarium aufeinander loszugehen.
So lange, bis einer der beiden Fische mit durchbissenen Kiemen und mit dem Bauch nach oben im Wasser schwamm.
Doch dieser Kampf war unausweichlich, und jeder von ihnen wußte das. Nur war der Zeitpunkt noch nicht gekommen, an dem das Schicksal die trennende Glaswand aus dem Aquarium hob…
***
Lord Cordow führte seine Gäste in das weiträumige Schloß. Dabei stellte sich heraus, daß er angeblich nur den niedrigeren Turm bewohnte. Außer Bonzo beschäftigte er kein weiteres Personal. Die Küche sei vollautomatisiert, sagte er, und er beziehe seine Mahlzeiten tiefgefroren und eßfertig vorbereitet. Er brauchte sie nur in einem Mikrowellenherd aufzuwärmen. Er bewies diese Behauptung, indem er Professor Zamorra und Nicole zum Essen einlud. Das Angebot war zu verlockend. Zamorra sagte zu. Sie konnten zwischen Hummer á la Marseille, Tournedos Rossini, Châteaubriand, Cordon Bleu und weiteren erlesenen Spezialitäten wählen. Lord Cordow hatte alles auf Vorrat. Dazu reichte er einen 43er Chabrol Neuf, einen schwerflüssigen Rotwein, der die Kriegswirren in Frankreich heil überstanden hatte.
Als Zamorra sich den Mund abtupfte, mußte er zugeben, selten besser gespeist zu haben. Lord Cordow konnte erklären, warum.
Die Mahlzeiten
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