0031 - Teufelstrank um Mitternacht
Augenblick hörte ich die Männerstimme. »So warten Sie doch, Jane!«
Der Satz elektrisierte mich. Plötzlich erwachte ich aus meiner Lethargie. Wie weggeblasen war die Erinnerung an das Vergangene. Ich kam hoch und zog mich auf die Beine.
Jane hatte schon längst den Vorgarten durchquert und befand sich auf der Straße. Ihr langes blondes Haar flatterte wie eine Fahne. Noch im Garten befand sich der Mann, doch es gab keinen Zweifel, daß er den gleichen Weg nehmen würde wie Jane Collins.
»Bleiben Sie stehen!« rief ich.
Er rannte weiter.
Ich nahm die Verfolgung auf. Wankte dabei hin und her wie ein vollgefressener Seelöwe. In meinem Schädel explodierten kleine Sonnen, doch ich biß die Zähne zusammen und machte weiter.
Warum lief Jane vor mir davon? Verdammt, sie wußte doch, daß ich sie abholen wollte! Was war geschehen?
Ich erreichte das kleine Tor. Drehte den Kopf nach links und bekam gerade noch mit, wie ein schwerer Rolls-Royce aus einer Parklücke scherte, hart vorangetrieben wurde und an mir vorbeipreschte.
Für Bruchteile von Sekunden erhaschte ich einen Blick ins Innere des Wagens.
Hinter dem Steuer saß ein lebendes Skelett.
Und auf dem Beifahrersitz ebenfalls ein solches Monster. Dazu mit langen blonden Haaren.
Jane?
Ich wischte mir über die Augen, glaubte an eine Täuschung, und als ich wieder hinsah, war der Rolls längst verschwunden. Jetzt eine Verfolgung aufzunehmen, hätte keinen Sinn gehabt. Bis ich meinen Bentley erreichte, ging viel zuviel Zeit verloren. Außerdem fühlte ich mich nicht so in Form, um jetzt noch an nächtlichen Rennen teilzunehmen.
Vor Wut hätte ich losschreien können.
Ich betrat das Haus, durchsuchte die Zimmer und gelangte auch in den Raum, in dem Jane und Sir Randolph sich aufgehalten hatten. Ich sah den umgestürzten Tisch, die zerbrochenen Weingläser. All dies deutete auf einen Kampf hin, der sich in dem Raum zugetragen haben mußte.
Aber wer hatte hier gegen wen gekämpft?
Ich verschob die Lösung des Rätsels auf später. Erst einmal mußte ich mich um Jane Collins kümmern. Um sicher zu sein, daß ich mich auch nicht getäuscht hatte, rief ich vom Autotelefon aus ihre Nummer an.
Achtmal klingelte es durch. Niemand hob ab.
Dann war Jane also doch die Person gewesen, die auf dem Beifahrersitz gehockt hatte.
Mit einem Totenschädel!
Eine Gänsehaut rann mir über den Rücken, als ich daran dachte. Hart preßte ich die Lippen zusammen. Mit allem hatte ich gerechnet, nur nicht mit einem neuen Fall.
Aber wer war der Mann, der mich niedergeschlagen hatte? Ich hatte von ihm nichts erkennen können. Alles war zu schnell gegangen. Im Handschuhfach suchte ich nach einer Kopfschmerztablette. Sie schmeckte wie Galle.
Dann machte ich mich auf den Rückweg.
Es ging bereits auf Mitternacht zu. Trotzdem würde ich Suko aus dem Bett werfen. Mit heulenden Pneus jagte ich die Auffahrt zur Tiefgarage hinunter, rangierte den Bentley in meine Parkbucht, stieg aus und fuhr mit dem Lift nach oben.
Suko war schon nach dem zweiten Klopfen an der Tür. Er schaute mich an, erkannte, daß etwas nicht stimmte, und sagte nur: »Komm rein, John.«
Ich ließ mich in einen Sessel fallen. Jetzt, wo ich etwas Ruhe hatte, kamen die Kopfschmerzen wieder.
»Was zu trinken?« fragte Suko.
»Ja, einen Cognac.«
Suko ging zur Hausbar. Über seinen Atlethenkörper hatte er einen dunkelgrünen Bademantel gehängt. Sein Haar war zerzaust, ein Zeichen, daß Suko gerade erst aus dem Bett gestiegen war. Doch seine Augen blickten hellwach, da war von Müdigkeit keine Spur.
Er reichte mir das Getränk und sagte: »Erzähl.«
Ich berichtete. Zwischendurch trank ich in kleinen Schlucken. Als ich geendet hatte, sagte Suko: »Und du bist sicher, daß du dich nicht getäuscht hast?«
»Nein.«
»Dann ist Jane also in die Fänge dieses Norfolk geraten.«
»Moment.« Ich hob die Hand. »Norfolk war ebenfalls kein normaler Mensch mehr. Vergiß das nicht.«
»Aber mit wem haben wir es dann zu tun?« rief Suko.
»Das werden wir herausbekommen.«
»Was willst du jetzt unternehmen?« fragte mich mein chinesischer Partner.
»Dieser Randolph Norfolk gehört zu den reichsten Männern der Insel. So ein Knabe gibt sich nicht mit einer normalen Stadtwohnung zufrieden. Der muß in irgendeinem Prachtbau hausen. Die Adresse beschaffe ich mir, und dann fahren wir hin.«
Suko krauste die Stirn. »So einfach auf Verdacht? Willst du nicht vorher mit Powell reden?«
Ich schlug mit der Faust auf den
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