0033 - Der Pfähler
mußte sich Marek verlassen können. Viel wohler wäre ihm gewesen, wenn er jetzt noch das Kreuz gehabt hätte. Aber das war verschwunden, trieb sich irgendwo in der Welt herum, bei einem neuen Besitzer, der vielleicht gar nicht wußte, was er in der Hand hielt.
Marek durfte überhaupt nicht daran denken, dann regte er sich nur unnötig auf.
Aber einen Rückzieher machen, das wollte er nicht. Er dachte daran, was er seinem Vater auf dem Sterbebett versprochen hatte. Auch ohne Kreuz mußte es ihm gelingen, den Schwarzen Grafen zu vernichten, falls Jurc ihn tatsächlich erweckt hatte.
Die Finsternis lauerte zwischen den Bäumen. Die meisten Menschen hätten sich in dieser Nacht gefürchtet, nicht so Marek, der Pfähler. Der Glaube daran, es letzten Endes doch noch zu schaffen, ließ ihn die Angst vergessen.
Zwei Minuten Ruhe gönnte er sich, dann ging er weiter. Er tauchte wie ein Schattenwesen ein in die Dunkelheit. Die Bäume standen hier so dicht, daß selbst bei entlaubter Krone das Mondlicht kaum hindurchschimmerte.
Schritt für Schritt näherte sich der einsame Mann seinem Ziel. In seinem Herzen brannte die Wut auf den Vampir. Irgendwann erreichte er das Schloß. Er wagte nicht, auf die Uhr zu schauen, aus Angst, daß alles längst zu spät sein könnte.
Vor dem Schloß blieb er stehen. Seine Blicke glitten über das vom Mondlicht beschienene Gemäuer. Der Nachtwind spielte mit seinen schlohweißen Haaren und wirbelte sie durcheinander. Nur vereinzelt blinkten ein paar Sterne am Himmel, die aber rasch wieder durch wandernde Wolken verdeckt wurden.
Da sah Marek die Bewegung. Oben auf dem Turm hatte sich etwas gedreht. Ein Tier – ein Mensch?
Scharf saugte der Pfähler die Luft ein. Dann sah er das große, dunkle Etwas, das sich von der Brüstung des Turms abhob und zwei riesige Schwingen ausbreitete.
Eine Fledermaus…
Ein Vampir!
»Mein Gott«, flüsterte Marek, »er hat es tatsächlich geschafft und ihn wieder zum Leben erweckt. D. Kalurac lebt. Der Herrgott sei unseren Seelen gnädig.«
Der Vampir genoß das fahle Mondlicht, das ihm neue Energie spendete. Deutlich konnte Marek die zackigen Flügel erkennen. Unermeßlich groß kamen sie ihm vor. Mit hartem Griff umspannte seine rechte Hand den Pfahl, seine Waffe gegen Vampire.
Plötzlich stieß der Vampir sich ab, ließ seine Flügel ausgebreitet und schwebte wie ein riesiger schwarzer Vogel durch die Luft.
Er fühlte sich als Herrscher über Transsylvanien, das Land, das er als sein Eigentum betrachtete.
Sekundenlang konnte ihm Marek noch mit den Blicken folgen, dann hatte die Schwärze der Nacht den Vampir verschluckt.
Der Pfähler hatte den Blutsauger gesehen, bald würde er seine Kräfte mit ihm messen. Marek dachte an Petroc Jurc. Vielleicht wußte er, wo Marek den Blutsauger finden konnte.
Marek ging auf das Gemäuer zu. Nur das Rauschen des Nachtwindes war zu hören. Die Spitzen der höheren Berge hoben sich als helle Dreiecke vor den dunklen Hügeln ab. Es sah phantastisch aus, wenn das Mondlicht die Schneefelder traf und dabei die unzähligen Kristalle wie Diamanten aufblitzen ließ.
Doch für Naturschönheiten hatte Marek jetzt keinen Blick. Ihm kam es darauf an, den Holzfäller zu finden, um herauszubekommen, was Kalurac vorhatte.
Auch brauchte er ein Versteck, um die hellen Tage verbringen zu können. Sollte er wieder in seine Burg zurückkehren? Marek beschloß auf jeden Fall, ein Auge auf das Gemäuer zu halten.
Er ging durch das uralte, offenstehende Tor und betrat den Innenhof des Schlosses. Gespannt schaute sich der Pfähler um. Er suchte nach einem Eingang, durch den er in das Innere des Schlosses gelangen konnte. Er hoffte, Jurc in irgendeinem noch unversehrten Zimmer der Ruine zu finden.
Doch Marek hatte sich getäuscht.
Er fand zwar nicht Jurc, sah aber den Einstieg, durch den der Holzfäller in das Verlies gelangt war.
Marek zögerte nur einen Augenblick, dann nahm er den gleichen Weg wie der Holzfäller. Nur besaß Marek keine Taschenlampe, sondern ein paar Zündhölzer und eine Kerze.
Er zündete den Docht an. Erst flackerte die Flamme, dann hatte sie sich beruhigt, und Marek konnte seine unmittelbare Umgebung ausmachen. Er sah auch die Fußspuren im Staub. Es war für ihn nicht schwer zu erraten, wer den Weg vor ihm benutzt hatte.
Spuren, die in die umgekehrte Richtung wiesen, sah er nicht. Befand sich Jurc vielleicht noch im Keller?
Marek paßte auf. Er rechnete Jurc zu seinen Feinden und war auf einen
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