0033 - Der Pfähler
flüsterte er. »Komm und zeig dich, damit ich dich pfählen kann!«
Er streckte den Arm aus und ging einen Schritt vor, genau dorthin, wo er auch die Augen hatte schimmern sehen.
Der andere rührte sich nicht.
Doch die beiden Augen waren jetzt verschwunden. Dafür hörte Marek Schritte. Leise und schleichend. Sie näherten sich der Tür.
Wollte der Untote flüchten? Hatte er Angst vor der eigenen Courage?
Da spielte Marek nicht mit. Er lief auf die Tür zu, fand im Dunkeln den Weg und geriet doch in die geschickt gelegte Falle des Blutsaugers.
Zwei Hände packten nach Mareks Schultern, rissen ihn herum, ohne daß er etwas dagegen unternehmen konnte, da die Kraft des anderen ungeheuer war.
Fauchen…
Ein Geräusch, das direkt aus der Hölle zu kommen schien. Dicht an seinem Ohr vernahm Marek es. Für ihn ein Alarmsignal. Er wußte, daß er sich auf nichts mehr einlassen konnte.
Noch hielt er den Pfahl umklammert.
Dann rammte er den Arm vor.
Und Marek traf genau.
Erst hörte er einen erstickten Schrei, der dann jedoch überging in ein schauriges Heulen und Winseln. Schritte, die zurückwankten, Röcheln, ein dumpfer Fall – aus.
Schweratmend blieb Marek stehen. Der Schweiß lief ihm über das Gesicht. Er zitterte. Noch nie hatte er einen Vampir getötet. Doch die erbliche Belastung war auch bei ihm durchgebrochen.
Er war zum Pfähler geworden!
Marek wußte nicht, wie lange er in der Dunkelheit gestanden und gelauscht hatte. Irgendwann kam er wieder zur Besinnung. Er steckte den Pfahl weg und riß ein Zündholz an.
Die kleine Flamme, tanzte, flackerte, und in ihrem Licht sah Marek auch die Kerze auf dem Boden liegen. Er hob sie auf und zündete den Docht an.
Nun konnte er besser sehen.
Die Flamme zeichnete einen hellen Kreis, an dessen äußeren Rand Marek ein Paar Beine sah. Schon an den Schuhen erkannte er, daß es tatsächlich Petroc Jurc war, den er getötet hatte.
Marek bückte sich und leuchtete die auf dem Rücken liegende Gestalt ab.
Als er das Gesicht sah, bekam er endgültig Gewißheit. Petroc Jurc war ein Vampir. Deutlich sah er die beiden dolchspitzen Zähne aus dem Oberkiefer ragen.
Der Pfähler schlug ein Kreuzzeichen. Jetzt, wo Jurc tot war, empfand er nur mehr Mitleid mit ihm. Und er wollte dafür Sorge tragen, daß der Holzfäller ein anständiges Grab bekam.
»Du hast es überstanden, Petroc«, sagte er. »Du bist erlöst, und deine Seele braucht nicht mehr durch die Zeiten zu wandern und ruhelos umherzuirren.«
Dann wandte er sich ab und verließ das Gewölbe des Schreckens. Er schritt langsam die Treppe hoch. Draußen saugte er die kühle Nachtluft in seine Lungen. Sie kam ihm vor wie Balsam. In den unterirdischen Gewölben war die Luft kaum mehr als solche zu bezeichnen.
Nichts hatte sich verändert. Nach wie vor hing der Mond am Himmel und übergoß mit seinem fahlen Licht das weite, gebirgige Land. Erst jetzt merkte Marek, daß er noch immer am gesamten Körper zitterte. Mit schleppenden Schritten lief er über den Innenhof. Seine Füße knickten das knöchelhoch wachsende Gras. Erst als er das Tor erreichte, atmete er richtig auf. Kalurac war frei!
Marek fragte sich, ob er es jemals schaffte, Kalurac zu pfählen. Doch allein konnte Kalurac auch nicht viel ausrichten. Er mußte zusehen, daß er noch einige Helfer bekam.
Es gab da mehrere Möglichkeiten. Marek hatte sich genau informiert. Kalurac konnte lebende Menschen zu seinen Sklaven machen, er konnte sich aber auch an seine Artgenossen wenden, mit ihnen einen Pakt schließen, um dann mit geballter Macht zuzuschlagen. Alles war möglich… Und Marek stand allein auf weiter Flur.
Die Zukunft sah düster aus. Er wälzte die Probleme, während er durch den Wald schritt und sein Dorf ansteuerte.
Marie war noch wach. Sie schaute aus dem Fenster, als ihr Mann zurückkam.
Im Hausflur trat sie ihm entgegen. »Was ist?« fragte sie.
Marek deutete auf den Pfahl. »Ich habe Jurc getötet«, sagte er mit schleppender Stimme. »Er war ein Vampir!«
Marie schluckte und riß weit die Augen auf. Ihr Gesicht wurde plötzlich blaß. »Und was ist mit dem Grafen?« hauchte sie.
»Er ist frei!« erwiderte Marek und ging an seiner Frau vorbei. Auf der Treppe wandte er sich noch einmal um. »Ich habe es nicht verhindern können. Leider.«
***
Vergangenheit
Irgendwie kam mir damals alles wie ein Traum vor. Zuerst das College, dann mein Studium in Oxford, und jetzt mein Job bei der Polizei. Psychologie und Jura hatte ich studiert.
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