0033 - Der Pfähler
schon zahlreiche Vampire endgültig zur Hölle geschickt worden sind. Er hat ebenfalls eine lange Geschichte hinter sich. Kreuz und Pfahl gehören eigentlich zusammen.« Er schaute mich an, als wollte er mir den Pfahl übergeben, doch ich winkte rasch ab.
»Nein, behalten Sie ihn!«
Marek nickte. »Wenn mir etwas passiert, wüßte ich keinen würdigeren Menschen als Sie, der mein Erbe antritt. Vielleicht bin ich der letzte in der langen Ahnenreihe, die gegen die Untoten in diesem Lande gekämpft haben. Mein Leben lang habe ich über mein Schicksal nachgedacht. Ich mußte erst sechsundzwanzig Jahre alt werden, um den Kampf erfolgreich aufnehmen zu können.«
»Dann wollen wir hoffen, daß wir Kalurac zu fassen kriegen«, sagte ich.
Jetzt wiegte Marek nachdenklich den Kopf. »Da machen Sie sich zu große Hoffnungen.«
»Wieso?«
»Er wird nicht mehr hier sein. Meiner Meinung nach hält er sich irgendwo versteckt. Oder aber er ist unterwegs, um neue Verbündete zu finden, denn es geht um seine Existenz.«
Die Gedankengänge des Mannes waren gut. Wenn sie stimmten, saßen wir hier fest, schlugen uns mit »normalen« Vampiren herum, während Kalurac ganz woanders seine Fäden spann.
Eine Vorstellung, die mir den Angstschweiß auf die Stirn trieb. Er konnte sich ebensogut hier versteckt halten oder Hunderte von Meilen entfernt zuschlagen. Genau dort, wo wir nicht waren.
»Denkst du das gleiche wie ich?« fragte Suko leise.
»Ja.«
Mit wenigen Worten klärte ich Marek auf. Und auch er zeigte sich besorgt. Er drehte den Kopf zum Fenster. »Dann gibt es für uns nur noch eine Möglichkeit. Wir müssen die Familie Varescu finden und ihr den Seelenfrieden wiedergeben, sonst erleben wir die Hölle. Draußen ist es finster. Wenn wir sie noch in ihren Verstecken erwischen wollen, dann müssen wir uns beeilen.«
»Sie wissen, wo die Vampire zu finden sind?« fragte ich.
Jetzt lächelte Frantisek Marek. »Auf dem alten Soldatenfriedhof…«
***
Das Grauen flog in Richtung Norden!
Niemand sah sie, keiner entdeckte sie. Sie wurde eins mit den Wolken, verschwand im Schatten des Nachthimmels, stieß manchmal hinunter bis auf wenige hundert Meter Höhe, sah dann die Lichter der Städte und kleineren Orte und stieß jedesmal ein grimmiges Fauchen aus.
Bald würde diese Ruhe gestört werden, dann war es den Menschen nicht mehr möglich, so sorglos in den Tag hineinzuleben. Dann bestimmten Angst und Entsetzen ihren Alltag, denn die geballte Macht der Vampire war groß – sehr groß sogar!
Lautlos schwebte die Fledermaus weiter, erreichte den Staat Ungarn, segelte hinweg über die brettflache Pußta, ließ sich von Aufwinden tragen und steuerte Wien an.
Dort lebte ein uralter Vampirclan, der sich die Jahrhunderte hindurch gehalten hatte. Die Katakomben der Millionenstadt an der Donau dienten der Familie als Unterschlupf. Sie lebten in den Abwasserkanälen in ewiger Dunkelheit, hatten ihren Existenzrhythmus auf ein Minimum reduziert und ernährten sich in der Hauptsache nur noch von Tierblut. Es waren keine echten Vampire mehr; die Zeit hatte sie gezeichnet, und sie besaßen nicht die Kraft, sich zu erheben.
Aber das sollte anders werden.
Die Familie Ceprac, vor einigen hundert Jahren aus Rumänien an die Donau gekommen, sollte wieder zu dem werden, was sie früher einmal war.
Zur mächtigsten Vampirfamilie des Kontinents!
Durch einen magischgeistigen Kontakt hatte D. Kalurac sein Kommen angekündigt. Die Cepracs wußten Bescheid und würden sich an dem abgemachten Treffpunkt aufhalten.
Und das war der Kahlenberg!
Sie hatten einen alten Bunker als Treffpunkt ausgemacht, der nicht weit vom Gipfel entfernt lag.
Der Vampir erreichte die CSSR, flog über Bratislava, dem ehemaligen Preßburg, und gelangte an die österreichische Grenze. Kein Zöllner sah die Riesenfledermaus, wie sie im Dunkel der Nacht die Grenze überflog. Die Schwarze Magie machte es auch möglich, daß dieses Untier nicht auf einem Radarschirm geortet wurde.
Der erste Ort in Österreich hieß Bad Deutsch Altenburg. Auf dem Hundsheimer Berg, ganz in der Nähe der Ortschaft, legte der Vampir eine Pause ein.
Es war tief in der Nacht. Es rauschte auf, als der Vampir dem Gipfel entgegenflog. Wo tagsüber begeisterte Flugzeugbauer ihre neuesten Modelle fliegen ließen, herrschte in der Nacht eine nahezu gespenstische Ruhe.
Die Riesenfledermaus klappte die Flügel zusammen. Das häßliche, vorstehende Maul bildete sich zurück und nahm menschliche Züge
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