0034 - Das Teufelsauge
junge, blühende Mädchen in dem prächtigen weißen Kleid es mit ihm aufnehmen würde.
Er wurde bald eines anderen belehrt.
Er war zwei Schritte nähergetreten. Da schoß das Mädchen auf ihn zu und krallte ihm die Fingernägel in den Hals.
Gerade wollte sie sich anschicken, ihre Zähne in den Hals des Mannes fahren zu lassen, als La Zanuga die Melodie auf ihrer Geige wechselte.
»Occhiu Draculi!« schrie sie wie besessen. Und sofort ließ das Mädchen von dem Mann ab, der aufs Haar ihr neues Opfer geworden wäre.
Capoa stand wie gelähmt. Er wäre unfähig gewesen, seinem Untergebenen zu Hilfe zu gelangen.
La Zanuga spielte wie ein Dämon. Und es war wirklich eine dämonische Melodie, die auch den Kapitän in ihren Bann zog.
Erstaunt sahen Zamorra und der Capitano, wie der Vampir zu tanzen anfing. Er war gepackt von La Zanugas Melodie, und man konnte schon jetzt erkennen, daß das Lied vom Teufelsauge ihn bald ganz besitzen würde.
»Tanz, du Vampir!« schrie La Zanuga Carmela entgegen. Ihre Stimme war rauh wie der Wind auf der Höhe der Felsen.
»Jetzt, Capitano, paß auf!« rief die Alte. »Das Mädchen soll tanzen. Soll stampfen den Takt. Soll schwitzen viele Liter Schweiß. Wird heißer und heißer, und das Lied wird den Dämon aus ihr treiben. Sollst sehen, wie sie zusammenbricht. La Zanuga wird den Vampir besiegen mit ihrer Melodie.«
Und so kam es auch. Wilder und wilder wurde der Tanz. Schneller und schneller drehte sich Carmela im Takt, dem sie nicht mehr entrinnen konnte.
Die Zigeunerin war fast so erschöpft wie das Mädchen, als sie den Bogen ihrer Geige sinken ließ. Da sahen Capoa und Zamorra, wie Carmela mit einem markerschütternden Schrei sich aufbäumte und gleich darauf zusammenbrach.
Zamorra wollte loseilen. Aber die Alte hielt ihn zurück.
Capoas Beamter kam eilends zurückgelaufen. Er hatte die ganze Zeit über stumm und starr vor dem tanzenden Mädchen gestanden, so sehr hatte ihn das Schauspiel in seinen Bann gezogen.
Da legte La Zanuga die Geige auf den Boden und ging langsam auf das Mädchen los.
Die anderen sahen, wie die Alte die Arme des Mädchens vom Boden aufhob. Sie sanken sofort wieder nach unten.
»Sie ist wirklich tot«, stammelte Capoa. »Da sehen Sie selbst, Professor, was La Zanuga für übernatürliche Kräfte besitzt.«
»Wahrscheinlich«, sagte Zamorra. Er dachte gar nicht so sehr an das, was er im Augenblick beobachtete. Er dachte an große Fischernetze. Und er fragte sich, ob die Fischer seinen Auftrag früh genug ausführen konnten. Jetzt hob La Zanuga den leblosen Körper des Vampirs auf. Das Mädchen dürfte keine schwere Last für die stämmige alte Zigeunerin sein.
La Zanuga ging auf den Wald zu und verschwand mit dem Mädchen.
»Sie geht zum Rand der Klippen«, kommentierte Capoa. »Sie will den Dämon wie wir die menschlichen Verbrecher jagen. Sie hat den Dämon gestellt. Und sie hat ihn zur Strecke gebracht. Nun muß sie ihn opfern. Wirft man den Leichnam ins Meer, so kann der Vampir nicht mehr wiederkommen.«
»Aberglaube«, sagte Zamorra. Er wußte jetzt schon mehr. Er war sich ziemlich sicher. Er faßte unters Hemd, dahin, wo sein Amulett hing. Die zauberhafte Wärme, die von dem Schmuckstück ausging, sollte ihn nicht trügen.
Drei Minuten, vier Minuten vergingen. Dann trat La Zanuga wieder aus dem Wald. Vorn, an der anderen Seite der Klippen.
Ihr Schrei war bis hierher zu hören. Zamorra und Capoa sahen, wie der leblose, schmächtige Körper Carmelas einen weiten Bogen durch die Luft beschrieb.
Dann war er vor ihren Augen verschwunden. »Den Vampir sind wir los«, sagte Capoa. »Wir können uns an den Abstieg machen.«
»Und La Zanuga?« fragte Zamorra.
»Die kommt von allein. Die wird sich schon melden. Ich wette, daß sie jetzt in den Wäldern bleiben möchte. Wenn sie ihren Branntwein braucht, wird sie sich melden.«
»Ich bleibe noch«, sagte Zamorra. »Ich möchte noch etwas untersuchen.«
»Aber Señor«, meinte Capoa etwas geringschätzig. »Hier gibt es nichts mehr zu untersuchen. An dem ganzen Fall nicht. Und an der Leiche des Vampirs auch nicht mehr. Der ist bei dem Sturz von den Klippen zerschunden worden. Und der Aufschlag aus dieser Höhe aufs Meer hat sein übriges getan.«
»Trotzdem, Capitano«, sagte Zamorra ausweichend. »Ich bin vielleicht nur einmal in meinem Leben hier. Ich möchte mich noch weiter umsehen. Wenn ich etwas Neues weiß, gebe ich Ihnen Bescheid.«
»Ich werde umsonst warten«, sagte Capoa mit
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