0034 - Das Teufelsauge
gehört nicht vor Polizei«, sagte die Alte. »La Zanuga kommt wie die Rache. La Zanuga muß töten den Vampir. Sonst kommt er wieder und geht zu neuem Opfer, und holt sich neues Blut, und neuer Schrecken ist im Land, und viele neue Furcht.«
»Gut. Von deiner Warte aus mag das richtig sein. Und nun erzähle mir, wie du jetzt Carmela finden willst.«
»Carmela?« sagte La Zanuga und war ganz erstaunt. »Wer ist Carmela?«
»Carmela Pados«, sagte Capoa. »Sie war Krankenschwester in Amarante.«
»La Zanuga kennt nicht Carmela Pados«, sagte die Zigeunerin.
»Und La Zanuga kennt nicht die Stadt, von der du sprichst, Capitano. Kann ich jetzt meinen Branntwein haben?«
»Du sollst mir erst helfen, Schwester Carmela zu finden«, sagte Capoa.
»Warum mußt du finden dieses Mädchen?«
»Sie hat einen Menschen getötet«, sagte Capoa und beobachtete die Alte genau. Auch Zamorra ließ die schwarzhaarige alte Frau nicht aus den Augen.
»Das geht La Zanuga nichts an«, sagte die Zigeunerin. »Du bist Polizei, Capoa. Du findest Verbrecher, die Menschen sind. Ich finde Verbrecher, die sind Dämon und Vampir.«
»Dann mußt du also Carmela Pados finden«, sagte der Capitano.
Die Alte schien keine Ahnung zu haben.
»Ist sie denn ein Dämon?« fragte sie.
»Ja«, sagte Capoa. »Sie hat einer jungen Frau das Blut aus den Adern gesogen, bis sie tot war.«
»Wer ist das Opfer?« wollte die Zigeunerin wissen.
»Du kennst die Frau vielleicht. Es ist die Grisalda. Frau eines Korkstechers. Sie wohnt oben in der Hütte am Nordhang.«
»La Zanuga kennt nicht die Frau«, sagte die Alte.
»Das macht nichts«, sagte Capoa. »Willst du uns helfen, den Vampir zu finden?«
»Si, si«, beeilte sich La Zanuga zu sagen.
Zamorra glaubte, in den Blicken der Alten eine große, plötzlich einsetzende Freude zu erkennen. Er fragte direkt danach.
»Zanuga, du freust dich ja so«, sagte er. Auch er griff jetzt zu dem vertraulicheren ›Du‹, das der Capitano angewandt hatte. Damit schien man besser an die Alte heranzukommen.
»Ja, La Zanuga freut sich«, gab die Alte zu.
»Und warum so plötzlich?« fragte der Professor.
»Weil sie den Vampir fangen soll«, sagte die Zigeunerin. »Hat er sich versteckt, der weibliche Teufel?«
»Ja, oben in den Wäldern muß er sein«, sagte Capoa.
***
Sie fuhren sofort los.
La Zanuga folgte Capoas Aufforderung und nahm neben einem Beamten im Fond des Polizeiwagens Platz. Nicole Duval und Bill Fleming waren nicht mitgekommen. Zamorra war in seinem Wagen allein.
Zamorra konnte nicht ahnen, wie gut das sein sollte.
Der Professor bat den Kapitän, bei einer der größeren Banken vorbeizufahren. Er wollte sich ein paar hundert Escudos eintauschen.
Und bald darauf sollte er sie gut gebrauchen können.
Die Wagen verließen die Stadt in nordwestlicher Richtung, und zwar auf Anregung La Zanugas.
Auf die Frage Capoas, warum sie nicht in Richtung Amarante oder Vila Tangil fahren sollten, meinte die Alte: »Vampir kennt die Wälder gut. Versteckt sich nur dort, wo Wald und gleichzeitig Wasser ist. Also immer hoch im Wald, und trotzdem nahe am Meer.«
»Meinetwegen«, sagte der Capitano.
»Kannst La Zanuga glauben«, meinte die Alte.
Sie fuhren also die Straße, die nahe am Atlantik entlangführte.
Nach zehn Minuten Fahrt bat La Zanuga, daß der Fahrer anhielt.
»Was gibt es?« fragte Capoa.
»La Zanuga muß aussteigen«, sagte die Zigeunerin. »Muß die Luft prüfen, ob wir die gute Richtung haben.«
Sie stieg aus, schnupperte, nickte mit dem Kopf und stieg wieder ein.
»Hier ist jemand gegangen, der nach Blut riecht«, war ihr ganzer Kommentar.
Nach weiteren zehn Minuten ließ die Alte den Fahrer wieder anhalten.
Sie stieg aus.
In der Ferne, auf halber Höhe zwischen Porto und Vila do Conde, einem beliebten Badeort, konnte man schon den weißen Sandstrand erkennen.
Aber davor, weit in eine kleine Bucht zurückgezogen, erhob sich ein mächtiger Felsen.
»Da oben ist der Vampir«, sagte die Alte.
»Weißt du das genau?« wollte Capoa wissen.
La Zanuga nickte.
»Zigeunerin ist alt. Weiß viel. Weiß genau, wo der Vampir ist. Weil sie ihn riecht.«
Zamorra hatte seinen Wagen auch zum Halten gebracht und kam auf Capoas Fahrzeug zu.
»Was gibt es?« fragte er den Kapitän. »Warum halten wir schon zum zweitenmal?«
»La Zanuga glaubt, die Blutspur des Vampirs in der Luft zu wittern«, erklärte Capoa dem Professor.
»Nicht glaubt!« protestierte die Alte. »La Zanuga weiß
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