0034 - Das Teufelsauge
Señor! Ich habe den tödlichen Absturz, zumindest unmittelbar, verhindern können. Fahren Sie schnell zu der angegebenen Stelle. Das Mädchen lebt noch! Ja! Wenn ich es Ihnen doch sage! Ich habe soeben mit Carmela Pados gesprochen. Beeilen Sie sich.«
Dann ließ er sich mit dem ›Ambassador‹ in Porto verbinden. Gab die Nummer von Nicole Duvals Hotelzimmer an.
»Nicole, sind Sie es? Gut! Hören Sie zu und beeilen Sie sich. Ich erwarte Sie in wenigen Minuten bei Kapitän Capoa. Wie bitte?… Ganz recht, in seinem Büro in der Präfektur. Alles Weitere dort.«
Er hängte auf. Schnell trank er einen Kaffee, den die Wirtin inzwischen gebraut hatte.
Scheußlich, dachte er. Ein scheußlicher Kaffee. Mit siebzig Prozent Zichorie und einer halben Kaffeebohne. Wie zu Hause. Wie in einem echten Pariser Café.
Na ja. Wenigstens erinnerte ihn etwas an seine Heimat. Aber er sehnte sich nach einer Tasse Kaffee, Marke Nicole Duval. Gezaubert in der Kaffeemaschine, die in dem Château de Montagne stand.
Zamorra zahlte und fuhr weiter. In halsbrecherischer Fahrt legte er die restlichen Kilometer bis nach Porto zurück. Mit quietschenden Reifen hielt er vor der Präfektur. Das Geheule der Bremsen und Reifen war so ohrenbetäubend, daß Capoa in seinem Büro an einen Unfall glaubte.
Er schoß aus der Tür, als Zamorra seinen Citroën verließ.
»Sie, Señor Professor?« sagte er mit grenzenlosem Erstaunen.
»Was ist los mit Ihnen? Erst schicken Sie mir diese reizende Señorita ins Büro, ohne daß sie oder ich eine Ahnung haben, welchen Grund es dafür gibt. Und nun fahren Sie mit einem Getöse hier vor, daß man glauben muß, Sie hätten einen ganzen Leichenzug überfahren. Was gibt es denn?«
»Darf ich eintreten?« lenkte Zamorra ab. »Ich möchte die Geschichte nur einmal erzählen. Für Sie und Mademoiselle Duval gemeinsam.«
»Aber bitte, si si«, sagte Idor Capoa. »Kommen Sie herein.«
»Bringen Sie eine Überraschung?« fragte Nicole Duval, als Zamorra eintrat. Sie verlor auch jetzt ihre Ruhe nicht, obgleich sie ahnte, daß der Professor etwas ganz Ungewöhnliches entdeckt haben mußte.
Nicole schlug ihre so gut gebauten Beine übereinander, die es nahezu jedem Mann unmöglich machten, dienstlich zu bleiben.
Zamorra setzte sich und erzählte mit kurzen Worten, was vorgefallen war.
»Ich habe Carmela gefunden«, war sein erster Kommentar.
Capoa, der im Begriff war, sich ebenfalls zu setzen, sprang sofort auf seine Füße zurück.
»Unmöglich!« sagte Capoa. »Ich habe selbst gesehen, wie La Zanuga den leblosen Körper über die Klippe geworfen hat. Und außerdem waren Sie ja selbst dabei, Señor Professor.«
»Gut«, gab Zamorra zurück. »Wir haben also den scheinbar leblosen Körper hinter den Klippen verschwinden sehen. Das ist aber auch alles.«
»Ich bitte Sie, Professor!« sagte Capoa fast beleidigt. »Was kann ein toter Körper schon tun, wenn er dort hinunterstürzt? Er wird gegen die Klippen geschleudert, und anschließend hinab ins Meer.«
»In diesem Falle nicht«, sagte Zamorra. »Der Körper des Mädchens war erstens nicht leblos. Die Krankenschwester lebte noch, als sie hinunterstürzte.«
»Unmöglich!« rief der Capitano wieder aus.
»Doch!« sagte Zamorra. »Sie muß ja bei dem Sturz noch gelebt haben.«
»Und warum?« sagte Capoa ein wenig spitz.
»Ich hätte sonst vor etwa einer Viertelstunde nicht mit ihr sprechen können.«
Jetzt sah Capoa so aus, als sei er von einem überirdischen Wesen behext worden.
Er verstand nichts mehr. Und Zamorra wollte diesem Zustand ein Ende machen. Er berichtete alles, was sich zugetragen hatte. Er erzählte, wie er die Fischer angeheuert hatte, vor den Klippen ein riesiges Gewebe aus Netzen aufzustellen. Wie er Carmela gefunden hatte. Und was er von ihr noch erfahren konnte.
»Also La Zanuga?« sagte Capoa.
»Ja«, antwortete Zamorra. »Ich hatte sie sehr bald nach meinem Eintreffen schon in Verdacht. Aber mir fehlte ein Beweis. Aus Ihren Berichten wußte ich, daß Sie einem der Racheakte der Alten persönlich beigewohnt hatten. Aber sie haben die Zigeunerin minutenlang aus den Augen verloren.«
»Si si, das ist richtig«, sagte Capoa.
»Drei oder vier Minuten sind für einen geübten Vampir genügend Zeit, um einen Menschen aus dem Leben in den Tod zu befördern. So war es auch heute wieder. Die alte Hexe hat sich in der kurzen Zeit, wahrend sie das Mädchen durch den Wald trug, über Carmela hergemacht und ihr Blut ausgesaugt. Nur hat sie
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