0034 - Dracula gibt sich die Ehre
geglaubt, daß es keine Vampire gibt, aber nun…«
Bill nahm ihre Hand. »Am besten ist es, Polly, wenn Sie das, was Sie erlebt haben, so rasch wie möglich vergessen. Denken Sie nicht mehr daran, oder nehmen Sie einfach an, alles wäre nur ein Traum. Ein böser Traum.«
»Aber Johnny ist nicht mehr da, Mr. Conolly.«
»Mit diesem Problem, Polly, muß ich fertig werden.«
»Was wollen Sie tun?«
»Ich weiß es noch nicht.«
»Warum haben sich die Vampire Ihren Sohn ausgesucht?« Bill hob die Schultern. Er log mit dieser Geste, obwohl er ganz genau wußte, weshalb die Blutsauger sich gerade ihn vorgenommen hatten. Zu oft schon hatte Bill zusammen mit seinem Freund John gegen die Mächte der Finsternis gekämpft, und mehr als einmal hatten die anderen Rache geschworen. Bisher hatte Bill immer Glück gehabt. Seine Familie war, ohne Schaden davonzutragen, den Anschlägen entgangen. Aber jetzt hatten die Bösen um so schlimmer zugeschlagen. Und es war nicht der Schwarze Tod und dessen Dämonenclique, sondern andere, ebenso schlimme Geschöpfe der Finsternis.
Bill dachte daran, daß er es gewesen war, der dem Fall einen entscheidenden Impuls gegeben hatte. Schließlich war er zu John Sinclair gegangen und hatte ihn auf die Artikel in den einschlägigen Illustrierten aufmerksam gemacht. Und John befand sich in Rumänien, um Vampire zu bekämpfen. Vampire hatten aber auch den kleinen John geraubt. Wie man den Fall auch drehte und wendete, immer wieder tauchten diese Blutsauger auf.
Für Bill Conolly stand plötzlich fest, daß der Fall in Rumänien und die Ereignisse in London in einem unmittelbaren Zusammenhang standen, mehr noch, es war durchaus möglich, daß ein teuflisch geniales Gehirn alles im voraus geplant hatte, um erstens die Gruppe um John Sinclair auseinanderzureißen und um sie zweitens schachmatt zu setzen. Wenn nicht sogar völlig auszuschalten.
Ein wahrlich hinterlistiger und diabolischer Plan, der zu einem Großteil bereits in Erfüllung gegangen war. Bisher hatten nur die anderen das Geschehen diktiert, alle waren zu einem Spielball geworden. Auch John Sinclair. »Über was denken Sie nach?« fragte Polly.
»Nichts«, erwiderte Bill, »gar nichts.«
Polly versuchte zu lächeln. Es mißlang. Trotzdem sagte sie: »Sie werden Johnny schon finden, Mr. Conolly. Sie müssen nur Vertrauen haben. Glauben Sie mir.«
»Danke.«
»Ich – ich fahre dann.«
»Soll ich Sie nach Hause bringen?« fragte Bill. »Nein, danke, es geht schon. Bleiben Sie nur hier. Vielleicht ruft man Sie ja an.«
»Ja, vielleicht.«
Bill brachte das Kindermädchen noch zum Wagen und sah Polly nach, wie sie davonfuhr.
Dann ging er zurück ins Haus. Er betrat den Livingroom und ließ das Rollo vor das große Panoramafenster und hatte so die zersplitterte Scheibe abgedeckt, die die Untoten bei ihrem grausamen Besuch hinterlassen hatten.
Bill Conolly war verzweifelt. Die Ruhe, die absolute Stille in dem großen Bungalow zerrte an seinen Nerven. Immer wieder flüsterte er die Namen seiner Frau und seines Sohnes. Ob er sie jemals wiedersehen würde…?
***
Die Daunendecke war halb verrutscht und gab einen wunderbar gewachsenen Frauenkörper frei. Langes blondes Haar breitete sich strahlenförmig auf dem Kopfkissen aus, das leichte, duftige Nachthemdchen reichte kaum bis zu den Oberschenkeln und ließ die Haut durchschimmern. Das rechte Bein war leicht angewinkelt, das linke Bein gestreckt. So schlief Jane Collins immer ein.
Jane hörte das Schrillen der Türglocke im Unterbewußtsein. Sie glaubte erst an eine Täuschung, griff zum Telefonhörer. Der Apparat stand dicht an ihrem Bett.
»Ja?«
Ihre Stimme klang verschlafen.
Als sie keine Antwort erhielt und es trotzdem weiterschellte, wußte Jane endlich, daß jemand vor ihrer Tür stand. Aber um diese Zeit? Unwillkürlich warf sie einen Blick zur Uhr. Es war kurz vor Mitternacht.
Jane erhob sich aus dem Bett, griff ihren Morgenmantel und warf ihn über. Der schwarze Frotteestoff schmiegte sich eng an die Haut.
Es schellte noch immer.
»Ja doch«, murmelte Jane. »Ich komme ja.« Jane Collins drückte den Knopf der Sprechanlage und erkundigte sich, wer der späte Besucher war.
»Jane, ich bin es. Bill!«
»Du?«
»Mach auf, rasch, ich muß mit dir reden.« Bills Stimme klang drängend und gleichzeitig gehetzt. Jane fühlte und hörte, daß etwas nicht stimmte. Sie öffnete.
Jane Collins war Privatdetektivin und außerdem John Sinclairs Freundin. Diese Freundschaft
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