0034 - Dracula gibt sich die Ehre
sich unsere Schwachstellen befanden. Und sie kannten keine Gnade, sie machten nicht einmal vor kleinen Kindern halt, sondern spielten sie noch als Joker in ihrem höllischen Spiel aus.
Bill hatten sie das Liebste genommen, was er auf der Welt besaß. Höchstwahrscheinlich galt dieser Angriff aber mir.
Ich sage bewußt höchstwahrscheinlich, denn noch wußten wir nicht, was unsere Gegner genau bezweckten. Gemeldet hatten sie sich noch nicht. Vielleicht waren noch nicht alle Vorbereitungen getroffen, denn wenn wirklich Kalurac hinter all den Greueltaten steckte, dann plante er einen Angriff im großen Stil. Wie ich ihn einschätzte, wollte er wieder die alten Zeiten zurückholen.
Im Klartext hieß das: Herrschaft der Vampire über die Menschheit. Und das in England, in London! Eine Vorstellung, die mir den Angstschweiß aus den Poren trieb. Und wir wußten nicht, wo sich die Blutsauger versteckt hielten. Vielleicht waren sie gar nicht in London, vielleicht hatten sie sich eine andere Stadt ausgesucht oder sich irgendwo auf dem Land festgesetzt. Möglichkeiten gab es viele.
Das Fatale an der Situation war ja, daß die anderen erst zuschlagen mußten, damit wir etwas unternehmen konnten. Powell sprach das aus, was wohl alle dachten. »Selten waren wir so hilflos, nicht wahr?« Wir stimmten ihm zu.
Bill berichtete, wo Sheila entführt worden war, und erzählte, wie er nach Hause gerast war und Polly, das Hausmädchen, dort vorgefunden hatte.
»Hat diese Polly denn dir was sagen können?« fragte ich. Bill nickte und berichtete kurz. Er holte eine Zigarette aus der Schachtel, und seine Finger zitterten dabei. Das hatte ich bei ihm noch nie gesehen.
Ich gab ihm Feuer. »Der Plan war gut vorbereitet«, sagte ich. »Man wird dich und deine Familie beobachtet haben. Ist euch nichts aufgefallen?«
»Nein, John, wir waren ahnungslos. Wenn ich daran denke, daß die Blutsauger Sheila und den kleinen Johnny…«
Seine Stimme erstarb. Bill hatte Mühe, die Beherrschung zu bewahren.
Ich legte dem Freund die Hand auf die Schulter. »Wir werden unser Bestes geben, Bill. Darauf kannst du dich verlassen.«
Andere Worte fielen mir in diesem Augenblick nicht ein, und ich wußte selbst, wie phrasenhaft sie waren.
Ich fing einen Blick meines Chefs auf und erkannte in seinen Augen die Sorge. Der Fall ging auch einem Mann wie Powell schwer an die Nieren. Unter der oft rauhen Schale verbarg sich ein herzensguter Kern.
Bill drückte die Zigarette aus.
»Und was machen wir jetzt?« fragte er.
Die Antwort gab Jane. »Wir müssen den Fall noch einmal in allen Einzelheiten durchgehen, etwas anderes bleibt uns nicht übrig. Vielleicht haben wir etwas übersehen und stoßen dabei auf eine Spur.«
»Möglich«, sagte ich.
»Weißt du etwas besseres?«
»Nein«, gab ich zu.
Da schrillte das Telefon!
***
Dom de Louises Nervosität wuchs von Stunde zu Stunde. Der Mittag war vorbei, und die frühen Nachmittagsstunden lagen ebenfalls schon hinter ihm.
Wanda Pernell war aus ihrer Pause zurückgekommen und hatte de Louise die Mittagspost gebracht. Aufgefallen war der Frau nichts.
Harold Farmer lag noch immer in dem kleinen Waschraum. Dom de Louise ließ ihn bewußt dort liegen, er sollte sich erst einmal an seinen neuen Zustand gewöhnen. De Louise las Akten, ohne sich bewußt zu werden, was er eigentlich da las. Die Sprechanlage summte. De Louise legte den Hebel um. »Ja?«
Wanda Pernell wollte etwas von ihm. »Ich möchte Sie nur an die Besprechung erinnern, Sir.«
»Ja, ich weiß, danke.«
»Und noch etwas, Sir.«
»Reden Sie schon.«
»Mr. Farmer ist nicht in seinem Büro. Es sind schon zwei Anrufe für ihn gekommen. Wissen Sie vielleicht, Sir, wo er sich aufhält?«
»Ja, es ging ihm nicht gut. Er hatte Magenbeschwerden, und ich habe ihn nach Hause geschickt. Ich vergaß nur, Sie darüber zu informieren.« Die Ausrede floß Dom de Louise glatt über die Lippen.
»Dann ist es gut, Sir.«
Dom de Louise unterbrach die Verbindung. Er griff zu seinen Zigarren, doch da fiel ihm auf, daß er kein Verlangen danach spürte. Es war wie abgeschaltet.
Dom wollte nach Harold Farmer sehen.
Er stand auf, öffnete die Tür zum Waschraum und sah Farmer liegen, wie er ihn zurückgelassen hatte. De Louise bückte sich und stieß den Mann an. Dann drehte er dessen Kopf so, daß er in Farmers Gesicht schauen konnte.
Farmer öffnete die Augen. Er starrte Dom de Louise mit einem unverständlichen Blick an, als könnte er nicht begreifen, wer
Weitere Kostenlose Bücher