0036 - Das Rätsel von Schloß Montagne
brennenden Hosenbeine nahm Nicole Baker schließlich bei den Füßen und zerrte ihn vom Sessel. Er mußte fort vom Kamin. Ihr einziger Gedanke war jetzt, ihn außer Reichweite der Feuerstelle zu bringen. Immer neue Arme griffen – als Flammen getarnt – aus dem Kamin. Sie wurden länger und länger, bis sie schließlich ihr Ziel in Bakers Körper fanden.
Nicole zerrte das Opfer vom Sessel. Schwer schlug der Kopf auf dem Teppich auf: Und plötzlich waren Schritte zu hören.
»Chef«, schrie Nicole. »Helfen Sie mir… Sie haben es auf Mr. Baker abgesehen …«
Der Schweiß lief ihr in Strömen vom Gesicht. Sie war wie blind.
Sie sah wie durch einen Schleier, daß Professor Zamorra in seinen Hemdenausschnitt griff und das aus ziseliertem Silber gefertigte Amulett hervorzog. Er umschloß es mit der Hand und trat zu Ken Baker, an dessen Anzug jetzt das Feuer gleichmäßig schwelte. Baker war nahe an der Grenze zur Bewußtlosigkeit.
Zamorras Lippen lagen hart aufeinander, als er langsam mit dem Amulett das Zeichen des Kreuzes formte.
Ein grauenhaftes Stöhnen war zu hören, doch es kam nicht von Ken Baker, sondern von den zuckenden Flammenhänden, die sich jetzt von Baker lösten und zum Kamin zurückkehren wollten.
Zamorra aber trat blitzschnell zwischen sie und die Feuerstelle.
Aus den Feuerhänden formte sich der Körper eines Gerippes. Eisiges, blaues Feuer umfloß es. Der Totenschädel ließ Lana Meredith einen Schrei namenloser Panik ausstoßen.
Zamorra hielt dem Dämon sein Amulett von neuem hin. Schweigend sahen alle mit an, wie die Gestalt sich zu winden begann und drohende Warnlaute ausstieß. Von Sekunde zu Sekunde ging der Zerstörungsprozeß des Skelettes weiter. Die Gebeine verfärbten sich, wurden lila und schließlich schwarz, als verfaulten sie innerhalb weniger Atemzüge.
Der gespenstische Totenschädel schrumpfte und wurde so groß wie ein Tennisball.
Endlich sackte der Knochenkörper in sich zusammen, schlug nieder auf den Teppich, und zusehends zerfielen die Gebeine zu Staub.
Stille herrschte im Raum.
Nicole kniete neben Ken Baker. Er rührte sich nicht mehr.
»Einen Arzt«, flüsterte sie. »Chef, wir brauchen schnell einen Arzt.«
Zamorra erwachte aus seiner Erstarrung. Er neigte sich zu Ken Baker nieder und hob dessen Handgelenk.
Nein, da war kein Puls mehr.
Er ließ die Hand los, die seltsam starr auf den Teppich zurückfiel.
»Professor!« stammelte Jill Meredith hinter ihm. »Ist er…«
Lana Meredith war wie von Sinnen. Sie rannte zur Tür. »Hilfe…« ächzte sie. »Sie werden uns alle umbringen, diese Geister. Ich muß mich in Sicherheit bringen. Wer kommt mit? Oder bleibt ihr hier, um von diesen Feuerbiestern von neuem angegriffen zu werden?«
»Mummy«, sagte Jill, »Ken ist tot.«
»Ken, Ken… was kümmert mich Ken?« Lana Meredith zitterte am ganzen Körper. »Er geht mich doch gar nichts an. Ich will nicht so umkommen wie er. Komm, Jill … Jill …«
Jill Meredith rührte sich nicht. Sie hatte das lange Haar in den Nacken geworfen und konnte keinen Blick von Ken Baker wenden.
»Jill…« jammerte Lana Meredith.
Nicole wechselte einen Blick mit Zamorra, dann trat sie zu der Millionärin.
»Mrs. Meredith, ich begleite Sie hinauf in Ihr Appartement.«
»Ich bleibe nicht hier. Wie konnte mich der Professor überhaupt hierher einladen?« Entrüstet starrte sie zu Zamorra hinterher. »Sie haben wohl diesen Geistern befohlen, mir Angst einzujagen? Warum mußte Ken sterben?«
»Ich weiß es nicht, Madam. Sie sind auch meine Feinde.«
»Ach was. Sie sind offenbar selbst ein Gespenst…« Sie flackerte Nicole Duval an. »Ich fahre nach Anjou und nehme mir dort im ›Splendid‹ ein Zimmer, kommst du jetzt endlich, Jill?«
»Nein, Mummy. Ich bleibe.« Jill rührte sich endlich. Sie sah zu ihrer nervlich völlig aufgelösten Mutter hinüber. »Ich habe es mit eigenen Augen miterlebt. Ken hat das nicht verdient. Er war zwar ein Spötter und großer Skeptiker, aber… nein, das hat er nicht verdient.« Ihre Stimme schwankte. »Ich will dem Geheimnis auf die Spur kommen.«
»Du? Ausgerechnet du, wo du nicht an so was glaubst?« Jill blickte wieder auf Ken Baker runter. »Ausgerechnet ich«, wiederholte sie mit belegter Stimme.
Zamorra hob den Kopf und sah das junge Mädchen an. Jill Meredith war ein eigenartiges Mädchen. Er hatte sie immer für phantasielos und übersättigt gehalten, hatte geglaubt, daß es ihr Mühe bereitete, ihr langweiliges Leben als
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