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0036 - Wir spielten hinter den Kulissen

0036 - Wir spielten hinter den Kulissen

Titel: 0036 - Wir spielten hinter den Kulissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wir spielten hinter den Kulissen
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sei und jeden Morgen einen Waldlauf machte.
    »Sie waren im Garten?«, fragte er mich plötzlich mit durchdringendem Blick.
    »Nein, Verehrter«, stritt ich ab. »Ich habe den ganzen Abend über noch nicht ein Bein bewegt. Mir gefällt dieser Sessel zu gut.«
    »So?«, krähte er. »Und wie erklären Sie sich diesen Grashalm an Ihrem Schuh?« Dabei hielt er mir mit spitzem Finger einen blitzschnell von meiner Sohle abgenommenen Grashalm hin. Ich musste mich beherrschen, um nicht in ein brüllendes Gelächter auszubrechen.
    »Vielleicht ist der noch dran vom letzten Ostereiersuchen?«, mutmaßte ich. »Oder von meinem letzten Ausflug ins Grüne? Das läge allerdings dann schon fast zwei Jahre zurück.«
    Er beschnupperte den Halm wie ein Kaninchen. Ich bekam Angst, dass er ihn vielleicht sogar fressen würde. Aber schließlich triumphierte er: »Ausgeschlossen! Dieser Grashalm ist ganz frisch!«
    »Was Sie nicht sagen! Ei, ei! Wo mag der denn nur herkommen?«
    Er zog seine Augenbrauen zusammen und stand steif auf.
    »Mister Cotton, nicht wahr, das war Ihr Name?«
    »Ganz recht. Vorname Jerry.«
    »Sie gestatten, dass ich mir diesen Namen notiere?«
    »Bitte! Gern! Werden Sie’s schreiben können? Oder soll ich es buchstabieren?«
    »Danke. Ich bin nicht ganz so dumm, wie Sie zu glauben scheinen!«
    Er zog ein Notizbuch von beachtlicher Größe und schrieb meinen Namen hinein mit dem Gesicht eines Lehrers, der einem seiner Sprösslinge die schlechteste Zensur aufschreibt.
    Darauf verbeugte er sich steif wie eine Marionette und wandte sich anderen Gästen zu.
    Ich ging ihm nach, bevor er jemand anders erreicht hatte, und tippte ihm auf die Schulter.
    »Mr. Riling?«
    Er drehte sich um.
    »Aha! Wollen Sie ein Geständnis ablegen?«, grinste er mich an. »Wollen Sie zugeben, dass Sie doch im Garten waren?«
    »Nein, mein Kleiner«, sagte ich leise. »Ich wollte Sie nur darauf aufmerksam machen, dass Sie auf dem linken Fuß humpelten, als Sie hereinkamen. Damit Sie es nicht verwechseln. So long, mein Bester, viel Vergnügen!«
    Er tat mir den Gefallen und wurde blass. Seine unteren Schneidezähne schoben sich ärgerlich vor. Ich grinste ihm superfreundlich ins Gesicht und ging zurück zu meinem Platz.
    Im Augenblick interessierten mich drei Fragen: Was hatte Barris nach Georgia geschrieben?
    Wie hieß der Tote oben im Arbeitszimmer?
    Und wie breit war der Balkon davor?
    ***
    Ich ging hinaus in den Park. Die frische Nachtluft tat mir wohl nach der schwülen Atmosphäre, die trotz der Klimaanlage im Salon geherrscht hatte.
    Während ich mir eine neue Zigarette aus meinem Päckchen nahm, kreisten meine Gedanken hartnäckig um die Vorfälle dieses heutigen Abends. Ich bemühte mich, theoretisch wenigstens ein bisschen Ordnung in das noch unübersichtliche Durcheinander zu bringen.
    Da war zunächst der ausgeraubte Tresor im Schlafzimmer der Gastgeberin. Ich war überzeugt davon, dass man an ihm keine Fingerabdrücke finden würde, ebenso wenig wie ich am Schloss des Panzerschrankes auch nur den geringsten Kratzer hatte feststellen können. Das deutete darauf hin, dass der Täter einen Schlüssel zu diesem Tresor gehabt haben musste. Selbst der beste Nachschlüssel macht Kratzer, wenn ihn nicht gerade ein Meister in seinem Fach handhabt.
    Aber mit den ungekrönten Häuptern der Geldschrankknacker ist es genau wie mit den gekrönten Häuptern monarchistischer Staaten: Man weiß immer, wo sie sich aufhalten. Und ich konnte mir beim besten Willen nicht denken, dass dieser Raub das Werk eines Meisterdiebes gewesen sei. Die drei oder vier Leute, die dann nur infrage gekommen wären, saßen meines Wissens alle seit geraumer Zeit in sicherem Gewahrsam. Wie aber sollte ein anderer an den Tresorschlüssel kommen? Diese Frage war noch zu klären. Wenn man das herausfand, war man schon auf dem direkten Weg zum Täter selbst.
    Der zweite Kriminalfall in diesem Hause bestand zweifellos in der mysteriösen Sache mit dem unbekannten Toten, den wir in dem geheimnisvollen privaten Arbeitszimmer des Hausherrn gefunden hatten. Was hatte der Mann dort gesucht? Wie war er überhaupt in den Raum hineingekommen? Wer war der Tote eigentlich?
    Aber alle diese Ereignisse verblassten vor dem plötzlichen Tod des Bankkönigs von New York. Mr. Barris war inmitten einer Gesellschaft von annähernd dreißig Leuten auf eine recht seltsame Art ums Leben gekommen. Kein Mensch stirbt am Genuss eines Gläschens Sekt, selbst wenn der Inhalt dieses Glases in einem

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