0036 - Wir spielten hinter den Kulissen
Börsenkram versteht. Ein gewöhnlicher Einbrecher könnte mit den Papieren gar nichts anfangen. Für ihn wäre es ein sinnloses Durcheinander von Zahlen und Abkürzungen.«
Phil nickte.
»Klar. Aber wozu diese Überlegung?«
»Mein lieber Phil, deine lange Leitung ist direkt bemerkenswert. Wir fanden in diesem Zimmer einen Toten. Der Mann war ohne allen Zweifel nicht auf sauberem Weg hineingekommen.«
»Woher willst du das wissen? Es hätte doch der Sekretär, von Barris gewesen sein können? Barris hätte ihn vielleicht sogar selbst in das Zimmer führen können?«
»Irrtum der ganzen Linie, Phil! Dieses Zimmer durfte außer Barris niemand betreten, das wurde von seinem Leibwächter streng betont. Der Mann hatte keine Ursache, uns etwas vorzulügen. Ein Sekretär, der vielleicht als einzige Ausnahme dort hinein durfte, wurde von ihm überhaupt nicht erwähnt. Aber selbst wenn man annehmen wollte, er hätte den Sekretär zu erwähnen vergessen, so spricht doch eine Tatsache ganz deutlich gegen die Annahme, dass der von uns aufgefundene Mann auf einem ordentlichen Weg in das Zimmer gekommen sei.«
»Welche Tatsache?«
»Die Tatsache, dass der aufgefundene Tote Handschuhe trug!«
Phil sah mich absolut verständnislos an.
»Weil jemand Handschuhe trägt, soll er nicht auf gewöhnliche Weise ein Zimmer betreten haben können?«, fragte er. »Aber warum denn nicht?«
Ich atmete geräuschvoll aus.
»Trägst du bei dieser Hitze am helllichten Tag in einem geschlossenen Zimmer Handschuhe?«
»Nein, natürlich nicht, aber…«
»Aber der Mann trug Handschuhe, weil er keine Fingerabdrücke zurücklassen wollte! Wer keine Fingerabdrücke zurücklassen will, der wandelt auf ungesetzlichen Wegen, das ist doch klar! Also, weil der Mann, den wir fanden, Handschuhe trug, musste er so etwas wie ein Einbrecher sein. Einverstanden mit meiner Folgerung?«
»Gut. Weiter?«
»Dieser Einbrecher musste aber außerdem ein Bankfachmann sein oder im Auftrag eines solchen Mannes handeln! Sonst sind die Papiere, die er in diesem Zimmer findet, für ihn absolut wertlos!«
»Vielleicht wusste er nicht, was in diesem Zimmer zu holen war?«
»Das ist absolut unwahrscheinlich. Überlege dir, wie ein richtiger Einbrecher vorgeht: Er holt unauffällig Erkundigungen ein, wo etwas Wertvolles für ihn zu holen ist. Es war ein Leichtes, aus der Dienerschaft herauszukriegen, dass der Schmuck der Gastgeberin in ihrem Schlafzimmer aufbewahrt wird. Aber nein, unser Einbrecher kümmert sich überhaupt nicht um den Schmuck. Er interessiert sich für das Arbeitszimmer des Hausherrn. Also interessiert er sich für irgendwelche Geldgeschäfte.«
Phil nickte.
»Ich gebe zu, deine Überlegungen haben die Wahrscheinlichkeit für sich. Hat dein Nachdenken sonst noch etwas zutage gefördert?«
»Ja, wenn es dich interessiert, kann ich dir erzählen, wie der Mann in das Zimmer und wie er ums Leben kam.«
»Was? Das willst du alles durch Nachdenken herausgefunden haben?«
»Natürlich. Pass auf! Du erinnerst dich, dass wir selbst in dieses Zimmer eindringen wollten, weil wir den Hausherrn suchten. Durch die Tür wäre es nur mit einer Dynamitbombe gegangen, weil das Schloss jedem Dietrich widersteht. Blieb nur das Fenster. Aber das Zimmer liegt im ersten Stock, die Entfernung bis hinauf zum Fenster betrug außen an die sechs Meter. Da das Haus eine glatte Außenfront hat, konnte auch der geschickteste Fassadenkletterer nichts unternehmen. Unser Mann ist aber von außen her in das Zimmer gekommen, denn auch für ihn gab es ja keine Möglichkeit, durch die Tresortür zu kommen. Als ich nach Hause fuhr, konnte ich mich davon überzeugen, dass meine Überlegungen vollkommen richtig gewesen waren: Vor dem Arbeitszimmer läuft ein großer Balkon entlang, der auch die Vorderfront eines anderen Zimmers mit einfasst. Wenn man auf dem Balkon entlanggeht, gelangt man also ohne die leisesten Schwierigkeiten vor ein Fenster des Arbeitszimmers.«
»Stimmt. Aber wie sollte der Mann auf den Balkon gekommen sein?«
»Dafür gab es nur zwei Möglichkeiten. Entweder war er im Haus bekannt, dann hätte er sich ungeniert bewegen und hinauf ins Obergeschoss und von da auf den Balkon gehen können. Aber das hielt ich für unwahrscheinlich.«
»Warum?«
»Irgendwann hätte man den Diebstahl entdeckt, den der Einbrecher doch sicher vorhatte, nicht? Dann hätte man sich daran erinnert, dass jemand den Balkon betreten hatte oder zumindest hinauf ins Obergeschoss gegangen
Weitere Kostenlose Bücher